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Unterwegs gingen viele verloren

Die Gründungsgeschichte der Mediengewerkschaft ist eine Kette von Abspaltungen / Euphorie gewichen  ■  Von Martin Kempe

Auf dem Stuttgarter Schriftstellerkongreß im November 1970 hatte der Romancier Martin Walser emphatisch die Gründung einer „Industriegewerkschaft Kultur“ gefordert. Heute klingt seine Stellungnahme fast gleichgültig: „Man muß sehen, was dabei herauskommt.“ Damals herrschte eine gewisse Euphorie unter den Intellektuellen der Medienindustrie über die Vision einer großen, einheitlichen gewerkschaftlichen Gegenmacht von „Hand- und Kopfarbeitern“ gegen die Macht der Medienmultis und Intendantenfürsten. Heute überwiegt selbst bei Gewerkschaftsfunktionären eine glanzlose Nüchternheit.

Im Juni 1972 wurde die Gründung einer Mediengewerkschaft auf dem neunten ordentlichen DGB-Bundeskongreß zur offiziellen Gewerkschaftspolitik. Die Industriegewerkschaft Druck und Papier (Drupa) und die in der Gewerkschaft Kunst zusammengefaßten Künstlerverbände sollten den Grundstock bilden. Dazu sollten außerhalb des DGB stehende Berufsverbände wie der Deutsche Journalisten Verband (DJV) und der Schriftstellerverband (VS) kommen. Aus dem großen Wurf ist nichts geworden.

Im Dezember 1972 hatte der DJV, der damals (wie heute) die überwiegende Mehrheit der Journalisten organisierte, beschlossen, sich am Aufbau einer Mediengewerkschaft zu beteiligen. Im April 1973 verabschiedete er auf seinem Verbandstag in Hamburg ein Organisationsmodell, das eine weitgehende Autonomie der in der Mediengewerkschaft zusammengsschlossenen berufsständischen Verbände vorsah eine Forderung, die von der IG Druck strikt abgelehnt wurde. Die Rechte der einzelnen Berufs- beziehungsweise „Fachgruppen“ gegenüber den zentralen Gremien der Gewerkschaft waren seitdem der Dauerkonflikt im Gründungsprozeß. Ende April 1985 hat dann der DJV nach heftigen internen Auseinandersetzungen dem Projekt Mediengewerkschaft die endgültige Absage erteilt. Nur der südwestdeutsche DJV-Landesverband beugte sich dieser Entscheidung nicht und ist heute am Gründungskongreß der IG Medien beteiligt.

Die Gewerkschaft Kunst im DGB umfaßte als Kartellgewerkschaft eine ganze Reihe von selbständigen Gewerkschaften und Künstlerverbänden, die ebenfalls in die neue Mediengewerkschaft eingebracht werden sollten. Die größte ist die „Rundfunk-Fernseh-Film-Union“ (RFFU) mit heute rund 20.000 Mitgliedern, die die Beschäftigten der Rundfunkanstalten organisiert. Die Deutsche Orchestervereinigung mit rund 6.000 Mitgliedern hatte dagegen im März 1984 ihren Austritt aus der Gewerkschaft Kunst erklärt.

Am spektakulärsten waren die Auseinandersetzungen im Schriftstellerverband VS, der im September 1974 mit 1.400 Mitgliedern in die IG Druck eingetreten war, darunter viele der wichtigsten Namen der deutschsprachigen Literatur. Je näher die Gründung der IG Medien rückte, je konkreter die Satzungsentwürfe wurden, desto mehr erschien vielen die angestrebte „Einigkeit der Einzelgänger“ innerhalb der neuen Großorganisation als Zwangseinheit unter traditionssozialistischem Vorzeichen. Besonders im Berliner VS-Landesverband formierte sich die Kritik an der politischen Entmündigung der Mitglieder durch die politische Alleinverantwortung des Vorstands.

Im Herbst 1987 übernahmen die Kritiker nach jahrelangen Auseinandersetzungen den Vorstand des Schriftstellerverbandes und versuchten, ihre organisationspolitischen Vorstellungen in die Gründungsverhandlungen einzubringen. Was sie durchsetzten, hätte vielleicht vor Jahren genügt, um größere Teile des DJV zu halten. Der Gruppe um die VS-Vorstandsmitglieder Anna Jonas und Günter Grass genügte es nicht. Mit ihnen stiegen an die 80 VS-Mitglieder aus. Viele der Zurückgebliebenen bleiben, wie Martin Walter, skeptisch.

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