CSU meutert gegen WAA-Ausstieg

Kohl schließt Verzicht auf die WAA nicht mehr aus / August Lang (CSU): „Wir sind die Blöden“ / VEBA-Chef verspricht neuen Energiekonsens bei Verzicht auf Wackersdorf / Grüne warnen vor Euphorie / Frankreich kocht den deutsch-französischen Atomdeal klein  ■  Von Kriener/Rosenkranz

Berlin (taz) - Der Abschied von der WAA in Wackersdorf wird schmerzhaft. Die spektakuläre Ankündigung von Veba-Chef Benningsen-Förder, das umstrittene Projekt aufzugeben und in Frankreich aufzuarbeiten, hat heftigen Protest bei der bayerischen Staatsregierung und der CSU provoziert. Bundeskanzler Kohl ging dagegen deutlich auf Distanz zu dem jahrelang von der Bundesregierung politisch und finanziell gestützten Projekt.

Auf der Bundespressekonferenz in Bonn wollte Kohl gestern einen Verzicht auf Wackersdorf nicht mehr ausschließen. Eine Antwort auf die Frage, ob Bonn „ohne Wenn und Aber“ an dem Projekt festhalte, lehnte er explizit ab. In der ihm eigenen Manier sprach Kohl von notwendigen „Präzisierungen des Entsorgungskonzeptes“ für die Zeit nach 2000. Das geltende nationale Entsorgungskonzept sieht der Kanzler durch eine Kooperation mit Frankreich aber nicht berührt. Kohl will eine deutsch-französische Expertengruppe einsetzen und zusammen mit Mitterrand politisch über die Wiederaufarbeitung entscheiden.

In München stieg gestern fast die gesamte bayerische Landesregierung für die WAA in den Ring. Wirtschaftsminister August Lang schnauzte, der Rückzug von der WAA sei eine „Riesensauerei“. Und weiter: „Wir Oberpfälzer stehen dann als die Blöden da, die den Versprechungen der Industrie Fortsetzung auf Seite 2

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vertraut und ihren breiten Rücken hingehalten hat.“ Bayern werde eine Entschädigung für die versprochenen 1.600 Arbeitsplätze verlangen. CSU-Chef Waigl soll seinen Eintritt ins Kabinett mit einer positiven Entscheidung für die WAA Wackersdorf verknüpft haben. Innenminister Stoiber wies alle Pläne zurück, Bayern mit einem atomaren Restprogramm abzuspeisen. „Solange die CSU in Bayern regiert, wird es niemals ein Zwischenlager oder eine Brennelementefabrik geben.“

Veba-Chef Benningsen-Förder legte dagegen als Köder die Vision einer harmonischen Energie-Zukunft aus. Wenn es gelinge, den „Zankapfel Wackersdorf“ zu beseitigen, könne dies „ein großer Schritt zur Wiedererlangung des Energie -Konsenses“ sein.

Anstatt die Sektkorken knallen zu lassen, mäkelten die Grünen in Bayern, man dürfe jetzt nicht in Euphorie verfallen. Der Ausstieg aus Wac

kersdorf sei noch lange nicht sicher. Die SPD in Bonn begrüßte die Veba-Pläne zur Aufgabe von Wackersdorf, forderte aber den gänzlichen Verzicht auf die Wiederaufarbeitung.

In Frankreich wird der deutsch-französische Atomdeal bewußt kleingekocht. Wegen des Aufstiegs der französischen Grünen soll der aggressive Ausbau der Plutoniumfabrik in La Hague offenbar in aller Stille vollzogen werden. Da die Atomwirtschaft vor einer zehnjährigen Durststrecke stehe, müßten die Kräfte europaweit gebündelt werden, erklärte der Chef des französischen Reaktorbauers Framatome, Jean-Claude Leny.