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Dokumente kaum faßbarer Grausamkeit

■ Verschleppung, sexueller Mißbrauch, Folter und Mord: Sechs Länderberichte über „Kinder und Krieg in Lateinamerika“

Werden mit Hilfe des Bonner Entwicklungshilfeministeriums Kinder in Guatemala brutal massakriert? Eingesperrt, vergewaltigt und erschossen? Ein jetzt von der Kinderhilfsorganisation „terre des hommes“ herausgegebenes Buch läßt diesen Schluß durchaus zu. Seit Jahren rüstet unter anderem das Klein-Ministerium die Polizei der mittelamerikanischen Militärdiktatur aus. Polizeiakademien und Bundeswehr schulen führende Militärs einer Armee, die kleine Mädchen sexuell mißhandelt, Kindern mit Nadeln die Augen austicht, sie lebendig verbrennt, ihnen die Köpfe zertrümmert, sie mit ihren Eltern in Kirchen zusammentreibt und Handgranaten hineinwirft.

Wer diese Grausamkeiten nicht glauben will, kann sie nachlesen in einem Bericht der guatemaltekischen Menschenrechtsorganisation „Comission de Dereches Humanos en Guatemala“ (CDHG): Einer von sechs Länderberichten über „Kinder und Krieg in Lateinamerika“, die „terre des hommes“ jetzt im Lamuv-Verlag veröffentlicht hat. Mit einem nicht faßbaren Horror überzieht vor allem Guatemalas Heer das Land, in dem hauptsächlich die Indianer unter der Repression leiden. Nach CDHG-Dokumenten werden gar schwangeren Frauen die Bäuche aufgeschnitten und die Embryos herausgerissen. Die peruanische Kinderhilfsorganisation TIPACOM berichtet von einer militärischen Strategie, nach der auch zweijährige Kinder „vernichtet werden“, weil sie potentielle Rebellen sein könnten.

Verschleppungen, Folter und Mord an Kindern stehen nach dem „terre des hommes„-Band auch in El Salvador und Kolumbien auf der Tagesordnung von Polizei und Armee. In Nicaragua entführten die von den USA unterstützten Contras Kinder und Jugendliche. In Chile werden Kinder im Beisein der ELtern gefoltert, um Aussagen zu erzwingen.

Das 270 Seiten starke Buch ist ein Dokument eines wenig spektakulären Krieges, der seit einigen Jahren mit der Strategie eines „Low intensity warefare“ (eines Krieges mit niedriger Intensität) Menschen in Lateinamerika systematisch einschüchtern will. Folge dieser Unterdrückung ist - soweit sie nicht tötet - eine Schädigung der kindlichen Psyche, die in vielen Fällen nie mehr zu heilen ist. Kinder, die ihre Eltern durch Massaker verloren, die gefoltert wurden oder die die Verstümmelung von Angehörigen mitansehen mußten, werden entweder apatisch oder selbst gewalttätig, berichten die Organisationen. Ständige Übergriffe ließen sie mißtrauisch und einsam zurück, stellten die „terre des hommes„-Partner fest. Familien verwahrlosen, soziale Bindungen lösen sich auf, Gewalt und sexueller Mißbrauch werden überall Alltag.

Wer diese Situation verändern will, darf neben den sozialpsychologischen Analysen, die das Buch liefert, nicht die Augen vor dem politischen Hintergrund verschließen, fordern die führenden Menschenrechtsorganisationen Lateinamerikas. Mit ihren Berichten über die schleichende „Entmenschlichung“ geben sie der deutschen Kinderhilfsorganisation und den deutschen Lesern einen eindeutigen Auftrag: Hier und ab sofort die Verantwortlichen für diese Lage zu suchen: Rüstungsfirmen, multinationale Konzerne und Regierungen, die diese Gewalt zulassen.

Uwe Pollmann

terre des hommes (Hg.), Kinder und Krieg in Lateinamerika, Lamuv Verlag, Göttingen 1989, 270 Seiten, 16,80 DM

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