Sex & Crime in german stile

■ Miss Marple hätte ihre Freude daran gehabt: Der „Hanseaten Club Bremen“ inszenierte im Haus am Deich das Leben der hannoveranischen Bürgerstochter Julie Schrader marplesk

Wenn über Dir die Liebe schwebt / Und Deine Knochen krachen, / Wenn über dir ein Busen bebt / Und noch ganz andre Sachen, / Dann sei gewiß: Es ist und bleibt / Die große Zeit der Liebe!

Solche, und noch ganz andere lyrische Ergüsse der hannoveranischen Bürgerstochter Julie Schrader (geb.1881), bürgten für einen amüsanten Abend. Was sie, deren Leben von nur zwei Lieben beherrscht war - der Liebe zur Poesie und der Liebe zur wilhelmineschen Männerwelt - zu Papier brachte, setzte der Hanseaten Club Bremen liebevoll in Szene. In ihrem „Theater am Deich“ erweckte die Laienspielgruppe die Früchte der Passionen von Julie Schrader zu neuem Leben, dem sie selbst 1939 ein Ende gesetzt hat. In dem „kleinen Musentempel“, mit rotsamtenen Vorhang und Souffleusen-Muschel sehr klassisch gehalten, erzählt Silvia Stolzenbach mit mütterlichem Charme und warmer Stimme erst ein wenig aus Julchen Schraders

Leben, um dann aus ihrem Werke lesend durch das Stück zu führen, das Julchen einem ihrer zahlreichen Liebhaber gewidmet hatte. Hier und da ein wenig von Schiller und Goethe geklaut, wurde hier ein ewiges Werk ganz besonderer Dichtkunst erschaffen, dessen unfreiwillige Komik von einem Lachkrampf zum anderen führt.

Das Theater am Deich hat sich dem Stück in seiner Schlichtheit, ohne jedem interpretatorischen Ansatz genähert, Julchens ganze Dramturgie wird offenbar, zum Teil sogar mitvorgelesen. Die bemerkenswerten Laiendarsteller nehmen sich voller Inbrunst ihrer Rollen an und verleihen ihnen damit einen noch lebendigeren Charme.

Vevchen, die Magt, ist so blond und so rein, wie einer es sich nur wünschen kann. An ihr Mieder zieht es nicht nur Adelkurt (von Adel), sondern auch Hugestines, Scheusal und Mädchenschänder schlechthin. Erst

Kaiser Wilhelm II., Kaiser von Deutschland und König von Preußen, Mehrer des Reiches und Majestät, vermag am Ende die Dinge wieder zu richten, aber erst wenn er die Der-Mann-vom -Leichendienst-Identität aus dem ersten Akt abgelegt hat.

Ein fantastisch schlecht gereimter Ohren-und Augenschmaus, bei dem fast zwei Stunden lang über dreckige Witze gelacht werden darf (und muß).

Irgendwie scheint die Szenerie am Deich der ehrwürdigen Agatha Christie entliehen zu sein, das kleine gemütliche Haus in dörflicher Umgebung, in dem des Abends nachbarschaftliches Theaterspiel gepflegt wird. Niemanden würde es wundern, eine nette alte Dame auf einem alten schwarzen Fahrad herbeiradeln zu sehen. Miss Marple hätte auch ihre Freude daran gehabt. Sex and crime in german stile.

KeDe

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