: Freispruch für Telebusfahrer
■ Prozeß gegen einen 46jährigen Telebusfahrer wegen Vergewaltigung einer behinderten Frau, die sein Fahrgast war / Freispruch wegen „widersprüchlicher“ Aussagen der geschädigten Frau und ihrer Eltern
Ein 46jähriger Telebusfahrer wurde gestern von dem schweren Vorwurf freigesprochen, eine 23jährige geistig behinderte Frau an einem nicht näher bestimmbaren Märztag im Jahr 1987 bewußtlos geschlagen und vergewaltigt zu haben. Die junge Frau hatte neun Monate nach der fraglichen Tat einen Sohn geboren. Obwohl der angeklagte Telebusfahrer Lothar K. laut Gutachten zu 99,9990 Prozent als Vater festgestellt wurde, hatte er vor Gericht nicht nur die Tat, sondern auch die Vaterschaft bestritten. Der Freispruch wurde von der Vorsitzenden Richterin Schwarzmann mit den widersprüchlichen Aussagen der geschädigten jungen Frau, Silvia F., und ihrer Eltern begründet. Daß der Angeklagte der Erzeuger des Kindes sei, stehe für das Gericht zwar fest, es sei aber nicht auszuschließen, daß die junge Frau „freiwillig“ mit ihm verkehrt habe.
Silvia F. lebt mit ihrem nunmehr 16 Monate alten Sohn und ihren jüngeren Geschwister - beide sind ebenfalls geistig behindert - im Haushalt der Eltern, die Frührentner sind. Der der gestrigen Beweisaufnahme zufolge als streng geltende Vater hat die „Pflegschaft“ für die drei Kinder inne, während die Mutter in der Familie in geschäftlichen Dingen und auch sonst offensichtlich nichts zu sagen hat. Als Zeugen vor Gericht bekundeten die Eltern Waltraud F. (53) und Günther F. (53) gestern, daß sie die Schwangerschaft ihrer Tochter erst bemerkten, als diese schon im vierten Monat war. „Sie hat uns alles verschwiegen“, sagte Waltraud F. auf Nachfrage des Gerichts, von wem, wann wie und wo Silvia F. schwanger geworden sei. Günther F. bestätigte, daß er mit seiner Tochter schließlich zum Arzt gegangen sei, weil ihr schlecht war. Daß sie vom Telebusfahrer Lothar F. in den Wald gefahren und dort bewußtlos geschlagen worden sei, habe Silvia dem Arzt erzählt und dann bei der Kripo wiederholt. Waltraud F. vermutet, daß die Tat irgendwann im März passiert sein müsse, weil Silvia da „ein einziges Mal“ erst gegen 21 Uhr nach Hause gekommen sei. Bei der Polizei hatten die Eltern früher bekundet, daß die Tochter an dem vermutlichen Tattage gegen 17 Uhr - eine Stunde später als sonst - mit dem Telebus aus der Behindertenwerkstatt nach Hause gekommen sei.
Silvia F. antwortete auf die meisten Fragen der Richterin mit einem leisen „Ja“ oder „Nein“ und vielem Achselzucken. Außer daß sie der Angeklagte irgenwann einmal geschlagen habe und sie bewußtlos geworden sei, wisse sie nichts mehr. Auch an ihre frühere Aussage, daß der Angeklagte ihr Geld geboten habe, damit sie sich ausziehe, könne sie sich nicht erinnern. Auf die Frage von Richterin Schwarzmann, ob der Angeklagte ihr vielleicht gefallen und sie aus Angst vor den Eltern die Unwahrheit gesagt habe, antwortete die Zeugin mit einem etwas zögerlichen „Nein“ und Kopfschütteln. Sie habe mit dem Fahrer öfters Späße im Bus gemacht, aber mehr sei auf keinen Fall gewesen.
Der Angeklagte Lothar K. hatte nur ausgesagt, daß er die junge Frau „nicht angerührt“ habe. Außerdem komme er auch deshalb nicht als Täter in Betracht, weil er Silvia S. in der für die Empfängnis in Frage kommenden Zeit - Ende Februar/März bis zu seinem Urlaub ab Anfang April - nicht nachmittags gefahren habe. Das wurde von Disponentin des Telebusunternehmens Neubert bestätigt. Die Vaterschaft wurde von dem Angeklagten mit dem Hinweis auf ein noch nicht rechtskräftiges Urteil bestritten.
plu
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