: US-Konjunktur kühlt ab
■ Wirtschaft reagiert auf Hochzinspolitik der Notenbank / Neuverschuldung des Haushaltes kaum unter 100 Milliarden Dollar / Handelsdefizit soll noch steigen
Washington (dpa) - Die amerikanische Wirtschaft hat möglicherweise das gemächlichere Tempo eingeschlagen, auf das die US-Notenbank aus Sorge um davonlaufende Preise seit über einem Jahr mit dosierten Zinssteigerungen zielstrebig hingearbeitet hat. Eine Reihe von Konjunkturdaten der letzten Tage gilt Beobachtern als Hinweis, daß die erwünschte Abkühlung zumindest begonnen hat und der Inflationsdruck nachlassen könnte. Einige sehen sogar nach 77 Monaten Expansion eine milde Rezession kommen.
Arbeitsmarkt, Aufträge, Produktion, Kapazitätsauslastung, Umsätze des Einzelhandels, die Investitionspläne der Industrie, geringere Nachfrage nach Häusern, Wohnungen, Autos und Computern - die Verbraucher haben den nach der Rezession 1981/82 aufgestauten Nachholfbedarf weitgehend befriedigt - zeigten im März Trends, die sich als Abkühlung interpretieren ließen. Daran ändere, heißt es, auch die demnächst fällige Berechnung des Sozialprodukts im ersten Quartal nichts, die vermutlich ein reales Wachstum von etwa fünf Prozent ausweise. Die wahre Rate sei nur halb so hoch. Man müsse die Folgen der großen Dürre im vorigen Jahr berücksichtigen.
Wichtigste Anzeichen der Verlangsamung des Wachstums sind: die „nur“ 180.000 neuen Arbeitsplätze im März nach im Schnitt jeweils 308.000 in den fünf Monaten zuvor; die nachlassende Tätigkeit der Bauwirtschaft, die die gestiegenen Hypothekenzinsen spürt; die unveränderte Industrieproduktion und der erste Rückgang der Kapazitätsauslastung seit Monaten.
Nachgelassen hat der Export als Motor für das Wachstum. Im Februar stiegen die Ausfuhren nur um 0,6 Prozent. Da gleichzeitig aber die Einfuhren um 5,3 Prozent zunahmen, stieg das Handelsdefizit um 1,8 Milliarden auf 10,5 Milliarden Dollar. Ökonomen, wie der Chef des Evans -Konjunkturinstituts, gehen davon aus, daß die USA in den nächsten Monaten steigende Handelsdefizite erleben wird, weil der Wunsch der AmerikanerInnen nach importierter Ware groß bleibt.
Mit Erleichterung wurde registriert, daß die Erzeugerpreise im März nur um 0,4 Prozent zunahmen, nachdem sie in den beiden Vormonaten um ein Prozent in die Höhe geschossen waren und für die Verbraucherpreisentwicklung Schlimmes ankündigten. Ein Grund zur Entwarnung sieht niemand. Mit 5,4 Prozent ist die Inflationsrate nach allen Erklärungen von Notenbankchef Alan Greenspan zu hoch. Die Notenbank wird aber nach überwiegender Einschätzung derzeit nicht auf weitere Zinserhöhungen drängen, sondern abwarten, ob die Abkühlung dauerhafter Natur ist.
Von der Haushaltspolitik wird jedenfalls keine spürbare Hilfe erwartet. Der Präsident und führende Kongreßpolitiker verkündeten zwar am Freitag eine Einigung über Eckdaten des Etats 1990, die zu der vorgeschriebenen Neuverschuldung von höchstens 100 Milliarden Dollar führen sollen. Sie mußten aber zugeben, daß Einzelentscheidungen über Einsparungen und Steuererhöhungen sowie andere Mehreinnahmen von jeweils 14 Milliarden Dollar noch offen sind und echte, das Defizit dauerhaft senkende Beschlüsse auf das nächste Jahr verschoben wurden. Kommentatoren urteilten: Wunschdenken hinsichtlich Wachstum und Zinsen, Buchungstricks, Einsparungen und Mehreinahmen, die nur auf dem Papier stehen.
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