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Wie man Raketen nicht baut

■ Nach 19 Jahren kommen die Schlampereien sowjetischer Raketenbauer und Militärs ans Licht

Moskau (ap) - Der offenbar übereilt angesetzte Start der ersten sowjetischen Interkontinentalrakete hat im Oktober 1960 in der Nähe des Aralsees zu einer Katastrophe schlimmsten Ausmaßes geführt. Das berichtete am Sonntag mit einer Fülle bisher nicht bekannter Einzelheiten das sowjetische Wochenblatt 'Ogonjok‘. Bisher war die Katastrophe nur aus Berichten westlicher Wissenschaftler und aus Andeutungen in den Memoiren des damaligen Partei- und Regierungschefs Nikita Chruschtschow bekannt.

In dem 'Ogonjok'-Bericht wird die Katastrophe auf den Feuereifer zurückgeführt, mit dem die Sowjetunion durch die Entwicklung ihrer ersten Interkontinentalrakete - der R-16 im „Raketenwettrennen“ mit den USA gleichziehen wollte. Dies, so hieß es, habe die Mißachtung von Sicherheitsnormen zur Folge gehabt. Von den Opfern der Katastrophe auf der geheimen Startrampe Nr.10 in Tura-Tam sei „praktisch nichts“ außer einigen Metallgegegenständen übriggeblieben, heißt es weiter.

In dem Bericht hieß es, der Start der Rakete sei für den 23.Oktober vorgesehen gewesen, aber verschoben worden, als man im Triebwerk einen Defekt feststellte, der Treibstoff austreten ließ. Man habe Luken abmontiert und mit Schweißarbeiten an der voll betankten Rakete begonnen, was „eine der gröblichsten Verletzungen der Sicherheitsbestimmungen“ bedeutet habe. Beim Anbringen eines Zündverteilers habe dieser verfrüht den Impuls zur Zündung der zweiten Raketenstufe gegeben. Der Flammenstrahl aus der gezündeten zweiten Stufe brachte den Treibstoff in der darunter angebrachten ersten Stufe zur Entzündung. Überlebt habe der Konstrukteur der Unglücksrakete, M.Jangel, schrieb 'Ogonjok‘. Er hatte sich gerade von der Startrampe entfernt, um eine Zigarette zu rauchen.

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