: Bilinguales für „Wirtschaftsbosse“
■ Senator Franke: Handelskammer machte Druck und Bürgermeister nahm mich in die Pflicht / Vereinigte Oppositionskritik an rigider Schülerauslese
„Türkisch, türkisch, türkisch! “. Es fehlte nur noch, daß sich der zwischenrufende SPD-Bildungspolitiker Hermann Stichweh vor Freude auf die Schenkel schlug. Thema Bilinguales Gymnasium auf Antrag der FDP in der Stadtbürgerschaft. Was den SPD-Parlamentarier zu seinen wohl witzig gemeinten Zukunftsvisionen eines türkisch -sprachlichen Gymnasialzweigs trieb, ließ den Senator auf der Regierungsbank recht schlecht aussehen: die vereinigte Kritik von CDU, FDP und Grünen an dem Ausleseverfahren für das geplante Bilinguale Gymnasium.
268 Kinder sind für das deutsch/englisch-zweisprachige Gymnasium angemeldet. 75 Kinder will die Bldungsbehörde in die vorgeschaltete Orientierungsstufe aufnehmen. Weitere 25 sollen nach zwei Jahren ausgemu
stert werden: „Ein erneutes Täuschungsmanöver Frankes“, konstatierte FDP-Bildungspolitikerin Annelene von Schönfeld. Hatten doch Beamte Frankes in einer Beiratssitzung und vor einer Elternversammlung den Eindruck erweckt, daß alle angemeldeten Kinder auch eine bilinguale Chance bekommen. Das Bilinguale müsse, so Schoenfeldt, eine „ganz stinknormale Schule“ werden. „Hochbegabung ist keine Voraussetzung“.
„Massive Täuschung der Eltern“, warf CDU-Sprecher Klaus Bürger Franke vor und wußte zu berichten, daß einige Eltern bereits eine schriftliche Zusage bekommen hätten, ehe die Bildungsbehörde dann „April, April“ gesagt hätte. Forderung der CDU: „Das Auswahlverfahren muß vom Tisch.“
Für die Grünen mußte noch
einmal Ralf Fücks in seiner letzten Stadtbürgerschaftssitzung die Kastanien aus dem bildungspolitischen Feuer holen. „Was zum Teufel hat sie geritten, den Begriff Hochbegabte zum Orientierungspunkt sozialdemokratischer Bildungspolitik zu machen?“, wollte Fücks vom Bildungsseantroi wissen. Und für das Behördenversprechen, die Leistungsfähigkeit der Kinder würde mit einem „validen, standardisierten Diagnoseverfahren“ gemessen befand Fücks: „Sprache der Rattenpsychologie“.
Bestätigung für seine Einschätzung, daß Bilinguale Gymnasium sei nicht das Ergebnis einer bildungspolitischen Überlegung, sondern eine „Begleiterscheinung der Wirtschaftsförderung“ erhielt Fücks aus berufenem Munde: „Das ist nicht die bildungspolitische Leidenschaft des
Senators. Ich habe mich vom Bürgermeister in die Pflicht nehmen lassen“, schob Franke die Verantwortung für das Bilinguale an Wedemeier ab. Und warum tat der das? Franke: „Von der Handelkammer hören Sie nicht auf, überregional zu betonen, in Bremen gebe es keine Schule für besndere Leistungen. Das ist ein ununterbrochenes Trommelfeuer.“ Und wenn schon Bilingual, dann will's der Senatpr nun auch richtig elitär: „Klein, zart und mit besonderen Anforderungen.“ Da die neue Schule auch in den Reihen der SPD keine besonderen FreundInnen hat, muß sich der Senator Unterstützung bei denen holen, die ihn in die schwierige Lage gebracht haben. Franke: „Die Wirtschaftsbosse sagen, daß sie diesen Weg nicht ablehnen. Das ist eine Rechtfertigung.“
hbk
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