Das Haus 7Aich ist abgebrannt

■ In der Nacht zum Dienstag ging das Weddinger Seifenhaus des alten Herrn 7Aich in Flammen auf / Nach 27 Jahren das Ende einer Kiez-Institution / Während der 81jährige trauert, sind seine Verwandten erleichtert / Die Brandursache ist noch ungeklärt

Die Hände von Hans 7Aich sind schwarz vor Ruß. Mit fassungslosem Blick klammert sich der 81jährige in einer Weddinger Kneipe vormittags an einem Glas Bier fest, nimmt einen großen Schluck und seufzt: „Um fünf Uhr morjens hamse mir anjerufen. 'Komm schnell rum, Dein Laden brennt‘, hamse jesagt! Na, und denn bin ick hinjefahrn und hab jesehen, was los is.“ Das Seifenhaus des alten Herrn 7Aich in der Weddinger Burgsdorfstraße war nur noch ein Haufen Asche. Fast 27 Jahre lang hat der gebürtige Berliner dort von morgens um acht bis abends um sechs Rasierklingen verkauft, Waschpulver verhökert und Haarspray gehortet, hat der gelernte Barbier Stammkunden frisiert oder mit den Kollegen vom Lottoladen gegenüber einen Jägermeister gepichelt. Seine Waren, ob Damenbinden oder Haarkämme, kosteten meistens nicht mehr als „einsfuffzich“ das Stück und waren in der Regel mindestens 20 Jahre alt. „Der Laden, das ist mein Leben!“ hat Hans 7Aich immer gesagt und sich gewünscht, „in mein‘ Laden zu sterben!“

Warum der Brand im Seifenhaus ausbrach, steht noch nicht fest. Der ermittelnde Hauptkommissar kann Brandstiftung zwar grundsätzlich nicht auschließen, vermutet aber eher „Fahrlässigkeit“. Bis die Recherchen des Brandkommissariats eine klare Aussage zur Ursache zulassen, wird viel Zeit vergehen: Fest steht bisher: Der Sachschaden liegt bei mindestens 220.000 Mark. Hans 7Aich ist nicht versichert.

Der Rentner befürchtet das Schlimmste. „Da hat mir einer 'ne Bombe reinjeworfen. Wenn ick den zu fassen kriege,“ bäumt sich der 81jährige auf, „dann hau ick den in Stücke. Und det kann mir keener übel nehm‘!“ „Hans, bleib ruhig!“ ermahnt ihn sein Tischnachbar und flüstert mit schüttelndem Kopf: „Det kann er nich verkraften.“ Und dann steht der Alte vom Tisch auf, schlurft aus dem Lokal und murmelt: „Ick hab drüben noch ne Kiste Kerzen stehen!“

'Drüben‘, in seinem verwüsteten Geschäft, sind inzwischen Bauarbeiter zugange. Die ausgebrannte Verkaufshalle wird mit Eisenträgern abgestützt, von der Decke bröckelt der Putz. 7Aich schleppt eine Kiste „Dash„-Waschpulver, Jahrgang 1970, vor die Tür, kommt dabei den Arbeitern in die Quere. „Mensch Opa, nu aber raus hier. Hier is doch nix mehr.“

Ach, Hänschen. Vor der Absperrung haben sich die Nachbarn versammelt und gucken dem Alten beim Aufräumen zu. Einer drückt ihm fünf Mark in die Hand, ein anderer steckt ihm eine Dose Bier in die Tasche, ein Dritter klopft ihm mitleidsvoll auf die Schulter. „Naja, nu hab ich den janzen Krempel nich mehr. Nu brauch ich mich nich mehr kümmern um den Kram“, spricht der Rentner und marschiert zurück in die Kneipe. Dort erzählt er den Gästen, was er nun vor hat: „Mit Freddy Quinn im Zirkus auftreten. Mit Elefanten. Da heb ick einen janz alleene hoch. Gloobste det?“ Vor einem Jahr noch wollte Hans 7Aich am liebsten mit Robert Lembke im Fernsehen auftreten. Aber Lembke starb leider, bevor es dazu kommen konnte.

Vor dem ausgebrannten Seifenhaus wartet der Schwiegersohn. Er will ihn endlich nach Hause bringen, den alten Dickkopf, dem die Familie schon seit Jahren zugeredet hat, das Geschäft endlich aufzugeben. Auf die Frage, ob wir dem Alten mit einem Spendenaufruf helfen sollten, reagiert der Schwiegersohn entsetzt: „Um Gottes Willen! Wir sind froh, daß der endlich raus ist hier!“

Und dann erzählt Hans Siebenaich zum hundersten Mal, warum über dem Eingangsportal seines Seifenhauses 27 Jahre lang 7Aich stand: „Jeder Buchstabe kostete dreißich Mark. Da hab ick die Zahl jekooft statt die Buchstaben und hundertfuffzich Mark jespart. Den Rest hab ick versoffen.“

Claus Christian Malzahn