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Währungsunion: Briten fürchten um Souveränität

■ Paris: „Ein guter Schritt“ / Pöhl konnte sich durchsetzen / Ifo warnt

Luxemburg (afp/taz) - Der Präsident der EG-Kommission Jacques Delors hat am Montag den Finanzministern der Europäischen Gemeinschaft den Bericht des sogenannten „Delors-Kränzchens“ zur Entwicklung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion vorgelegt (wie die taz bereits kurz meldete). Die in dem Sachverständigengremium vertretenen Notenbankchefs der „Zwölf“ entwerfen darin eine Marschroute für den allmählichen Ausbau des bestehenden Währungsverbundes von acht Mitgliedstaaten in drei Phasen. Startschuß soll der 1.Juli 1990 sein - zeitgleich mit dem Wegfall aller europäischen Grenzen für Kapitalflüsse. Der ehrgeizige und detaillierte Bericht sieht als Endziel der Entwicklung unwiderrufbar festgelegte Währungsparitäten zwischen allen zwölf Währungen sowie weitgehende währungspolitische Rechte für ein Europäisches Zentralbanksystem voraus, für die jedoch eine Änderung der Römischen Verträge notwendig wären. Einen Zeitplan für die Verwirklichung der Union umreißt der Bericht nicht.

Harsche Kritik an dem Vorhaben der Währungsunion wurde am Montag erwartungsgemäß vom britischen Finanzminister Nigel Lawson geäußert, der seine „prinzipielle Ablehnung“ bekundete. London sei nicht bereit, „den Transfer von Souveränität“ hinzunehmen, den der Übergang von Entscheidungskompetenzen der nationalen Notenbank zur Europäischen Zentralbank bedeuten würde. Sein französischer Amtskollege Pierre Beregovoy fand hingegen lobende Worte für den Bericht des Delors-Ausschusses. Bei aller Vorsicht, die gegenüber den ehrgeizigen Plänen geboten sei, sei dennoch jeder Schritt voran „ein guter Schritt“. In der Vergangenheit kam allerdings verstärkt Kritik auch aus Frankreich, weil man in Paris stärkeren Einfluß der Regierungen auf die Banken vorsieht, um sie auch in die Konjunkturpolitik einbinden zu können, was das nun offenbar siegreiche „deutsche Modell“ ablehnt.

Dem 1979 gegründeten Europäischen Währungssystem gehören bislang Großbritannien, Spanien, Portugal und Griechenland nicht an. Die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion mit übereinstimmenden Wirtschafts- und Währungspolitiken wurde in der Einheitlichen Europäischen Akte aber als notwendiges Ziel der Gemeinschaft festgeschrieben. Umstritten ist noch der Weg dahin, weil letztendlich einzelstaatliche Hoheitsrechte betroffen wären. Besonders die Bundesrepublik hatte wiederholt auf die notwendige Autonomie der Bundesbank verwiesen. Deutsche Diplomaten zeigten sich jedoch zufrieden darüber, daß Bundesbankchef Karl-Otto Pöhl offenbar sein Vorstellungen durchsetzen konnte. So soll ein künftiges Europäisches Zentralbanksystem nach föderativem Muster aufgebaut werden und der Geldwertstabilität verpflichtet sein. Der Bericht, der am Wochenende den Regierungen der Mitgliedstaaten zugeleitet wurde und beim nächsten Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Madrid beraten werden soll, sieht drei Entwicklungsphasen vor:

-Die erste Phase beruht zunächst auf dem Ausbau des bestehenden EWS-Systems zur Wechselkursstabilisierung und dem „Beitritt der anderen Mitgliedsländer“: Der Rat der Notenbankgouverneure wird mit formellen Vorschlagsrechten für den EG-Ministerrat ausgestattet. Über die Einsetzung eines Reservefonds als Vorgänger eines Zentralbanksystems besteht jedoch unter den 17 Experten als einzigem Punkt noch Uneinigkeit. Ein solcher Fonds wäre Voraussetzung für eine gemeinsame Währungspolitik, etwa Zu- oder Verkäufe zur Auf oder Abwertung. Kernaussage ist aber auch die Verpflichtung, nach der ersten Phase die weiteren anzupacken. So sollen auch unmittelbar die Vorbereitungen für Änderungen der Gründungsverträge anlaufen.

-Die zweite „Übergangsphase“ sieht zwar stärkere kollektive Entscheidungsbefugnisse mittels einer „Trainingsphase“ vor, die Ausgestaltung der Wirtschafts- und Währungspolitik bleibt aber noch in der alleinigen Zuständigkeit der Regierungen. Der Ministerrat setzt Regeln für die Steuerung von Haushaltsdefiziten fest, die jedoch noch nicht bindend sind. Ein Zentralbanksystem vereinigt bestehende Währungsorgane. Korrekturen von Wechselkursparitäten sollen aber Ausnahmefälle bleiben.

-Die Endphase schließlich plant „als wünschenswertes Merkmal“ eine einheitliche Währung auf der Grundlage der Europäischen Rechnungseinheit ECU, obwohl dies für eine Währungsunion nicht unabdingbar sei. Zumindest sollen jedoch unwiderrufbar feste Paritäten zwischen den einzelnen Kursen gelten. Der Ministerrat schreibt den Mitgliedern Maßnahmen vor, wie die Geldwertstabilität gesichert werden kann. Die Handhabung der offiziellen Reserven der „Zwölf“ geht in die Zuständigkeit des Zentralbanksystems über.

Für den „qualitativen Sprung in die Wirtschafts- und Währungsunion“ fehlen nach Ansicht des Münchner Ifo -Instituts für Wirtschaftsforschung noch die politischen Voraussetzungen. Das Institut warnte daher am Dienstag vor einer allzu hastigen Weiterentwicklung des Europäischen Währungssystems (EWS) zu einer gemeinsamen Währungsordnung. Fortschritte bei der Schaffung des Binnenmarktes sollten auch zu neuen Schritten in der Währungsintegration führen, „die unter Umständen nur mit einer Kerngruppe“ möglich seien, womit die Spannungen in der EG nicht kleiner werden dürften.

Es dürfe nicht übersehen werden, daß der Prozeß der Binnenmarktintegration zu Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen der Mitgliedstaaten und bei der Produktivitätsentwicklung führen könnte. Daher dürfe das „Ausgleichsventil“ von Wechselkursanpassungen in einer Übergangsphase des Binnenmarktes nicht vorschnell blockiert werden.

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