: Reden, aber kein Geld gegen Neonazis
■ Bürgerschaft diskutierte über Rechtsextremismus / Hartes Wortgefecht zwischen SPD und CDU, Grüner für „gemeinsame Politik über Parteikonkurrenz hinweg“ / Langer Antrag, aber keine Geldforderung der Regierungspartei
Während sich SPD und CDU in der Bürgerschafts-Debatte um den Rechtsextremismus gestern schwere Wortgefechte lieferten, setzte der Grüne Martin Thomas „zwar nicht auf die vielbeschworene Einheit der Demokraten“, wie er am Schluß seiner Rede ausführte, dennoch aber auf den „ernsthaften Versuch, über die Parteikonkurrenz hinweg eine gemeinsame Politik gegen den Rechtsextremismus zu entwickeln“. Die Sitze der CDU waren zur Hälfte leer, die Regierungsbank fast völlig. Nur auf der Zuschauertribüne verfolgten VVN-Sekretär Homburg und Verfassungsschutz-Chef Wilhelm nebeneinander aufmerksam die Debatte. „Es geht mir nicht darum, die CDU pauschal als Wegbereiter für den Rechtsextremismus zu geißeln“, rief Thomas den Oppositions-KollegInnen zu.
Ganz anders Horst Isola für die SPD. Mit zahlreichen Zitaten von CDU und CSU versuchte er nachzuweisen, wie die Bonner Regierungsparteien zum Wegbereiter des rechtsextremen Aufschwungs geworden sind. „Rechtsextreme Parteien und Gruppierungen gesellschafts-und hoffähig zu machen, hat eine lange Tradition in der Union“, sagte Isola und zitierte den früheren Bundeskanzler Kiesinger, der in den 30er Jahren im NSDAP-Apparat aktiv war, mit den Worten: „Selbstverständlich ist die NPD keine neonazistische Partei.“
Doch genau dies behauptete Isola nicht nur von der NPD, sondern auch von DVU und FAP: „Ihnen ist eine faschistische Grundauffassung gemein, und der gemeinsame politische Nenner ist Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.“ Auch die Republi
kaner seien eine „Sammlungs partei für Rechtsextremisten und Konservative“.
„Ihnen geht es nur vordergründig um Analyse, viel wichtiger ist es Ihnen, die CDU zu diffamieren“, empörte sich deren Fraktionschef Rainer Metz über Isola und erinnerte daran, daß die Republikaner in Berlin z.B. nicht nur 40.000 Stimmen von der CDU, sondern auch 30.000 von der SPD geholt hätten. Sein Rezept gegenüber dem rechtsextremen Erfolg lautet: Totschweigen. „1967 zog die NPD mit einer Reihe von Abgeordneten in die
Bürgerschaft ein“, erinnerte er, „als die aufgeregten Debatten und die täglichen Schlagzeilen dann später endlich nachließen, verschwand auch die NPD wieder aus den Parlamenten.“ Auch der „Kollege Altermann“ von der DVU sei nach der Wahl 1987 sehr bekannt geworden, so Metz weiter, „allerdings weniger durch seine Auftritte, Redebeiträge und Aussagen, sondern eher durch die Art und Weise, wie andere glaubten, ihn behandeln zu sollen.“
Anschließend wandte sich Metz „gegen jede Art von Ausländerfeindlichkeit“. Besonders
stört ihn in diesem Zusammen hang die Parole „Ami go home“. „Wir sind dafür, daß Linksradikale und Rechtsradikale gleich behandelt werden“, rief Metz und fragte den SPD-Redner Isola, was er täte, „wenn es in der DDR ein faschistisches Regime gäbe, das auf Menschen schießen ließe, die das Gebiet der DDR verlassen wollen“.
Ausdrücklich warnte Metz den Senat vor einer Unterstützung der „BremerInnen gegen Neofaschismus“. „Nicht jeder Antifaschist und nicht jeder, der sich so nennt, ist deswegen schon ein Demo
krat“ rief er. Staatliche Zuschüsse für die „sogenannte Initiative“ verstießen gegen ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes.
An eine Analyse der rechtsextremen Wahlerfolge wagte Metz sich nicht, sondern hielt sich mit Jürgen Habermas an die „neue Unübersichtlichkeit“. Trotzdem habe seine Partei eine klare politische Strategie: „Wir machen keinen Rechtsruck, und wir laufen auch nen Polen c Wir machen Radikale nicht hoffähig, sondern wir versuchen, ihnen potentielle Wähler im Interesse dieses Staates zu entziehen.“
Zuvor hatte Innensenator Peter Sakuth Zahlen über die Aktivitäten Bremer Rechtsextremisten geliefert: vom 1.1.87 bis zum 31.12.88 hat die Bremer Polizei 128 Fälle mit rechtsextremem Hintergrund erfaßt, 42 Tatverdächtige wurden ermittelt. In 30 Fällen waren AusländerInnen geschädigt worden. Das „rechtsextreme Gewaltpotential“ schätzt Sakuth auf „maximal 20 Personen“, die Bremer Skinheads auf „etwa 80 bis 90“.
Einem allgemeinen Antrag der SPD „für ein friedliches Zusammenleben, gegen Neofaschismus und Fremdenfeindlichkeit“ wollten auch die Grünen zustimmen, obwohl er „über weite Strecken offenläßt, welche politischen und materiellen Maßnahmen der Senat einleiten soll, um die Lage sozial Benachteiligter, ausländischer MitbürgerInnen, Aussiedler und junger Menschen zu verändern.
Ase
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