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Radikale Schönwetterdemokratie

Für die Verwirklichung des Grundgesetzes stand in Bremen ein blauer Bus rum  ■ 

Foto: Wolfram Steinberg

Für Demokratie interessiert sich bei schlechtem Wetter in Bremen kein Mensch. Fast keiner. Aufgerufen über die Frage zu entscheiden, ob das Volk direkt entscheiden soll, ob unsere Verfassung den direkten Volksentscheid braucht, entschied das Bremer Volk sich gestern ganz direkt vor allem für eines: für möglichst trockene Füße. Man wollte in Bremen schlechterdings nicht wissen, warum auf dem Ansgarikirchhof ein blauer Doppeldecker-Bus im Dauerregen stand, und dort, wo Bremer Straßenbahnen üblicherweise für klaren Schnaps oder die reichhaltige Auswahl von Kassen-Brillengestellen Reklame machen, „für direkte Demokratie in Deutschland Volksentscheid“ warb. Unbeachtet von schirmbewehrten, einkaufstüten-bepackten PassantInnen kümmerte der Omnibus einer gemeinnützigen GmbH aus Kassel und sein verfassungstheoretisches Anliegen im Bremen Nieselregen vor sich hin.

Dabei: 500 Mark hatte sich der Bremer Verwaltungsangestellte Manfred Steinach die Anreise des Busses zum üblichen Pauschal-Komplettpreis incl. seiner demokratie-beflissenen Belegschaft kosten lassen. Statt bürgernaher Verfasungsdebatten mußte Steinbach schon zufrieden sein, wenn sich der eine oder andere im Vorbeigehen ein Werbeblättchen in die Hand drücken ließ, in dem es z.B. mit gradewegs entwaffnender argumentativer Schärfe heißt: „Man braucht diesen Bus nur zu sehen. Dann stellt sich die Frage von selbst: Warum haben wir in Deutschland noch keine direkte Demokratie?“

Die Frage, die sich gestern vor allem von selbst stellte, war die: Warum verfährt jemand 30 Liter Diesel auf 100 Kilometer, um in der Bremer Innenstadt den Leuten bei ihrer Suche nach einem trockenen Plätzchen im Wege zu stehen? Tröstlich für die drei Demokratie-Schaffner im Bus: „Bei schönem Wetter reden pro Tag bis zu 100 Leute mit uns“. Schöne Schönwetterdemokraten.

K.S.

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