piwik no script img

Zwei Nummern gegen Nazis

■ „Bücherverbrennung“ im Grunewald als zentrale Aktion zum Hitler-Geburtstag? Neonazis mit Reichskriegsflagge am Schloß Charlottenburg beobachtet

Mit offensichtlich unterschiedlichen Haltungen haben sich die Berliner Polizei und das Antifaschistische Aktionsbündnis auf mögliche Aktionen von Neonazis zum heutigen 100. Geburtstag von Adolf Hitler vorbereitet. Während das Aktionsbündnis gestern in einer Presseerklärung „Solidarität und Selbsthilfe statt Angst und Ausgrenzung“ propagierte, erklärte die Polizei, daß „keinerlei Anlaß dazu besteht, Selbstschutz oder gar Selbstjustiz als notwendig anzusehen.“ Die Polizei habe gegenwärtig keine Anhaltspunkte dafür, daß neonazistische Gruppen Straftaten begehen wollten. Trotzdem nimmt die Polizei seit Mittwoch abend, 19.00 Uhr, unter der Berliner Rufnummer 699 399 Hinweise auf entsprechende Aktionen der Neonazis und Rechtsextremisten entgegen. Die Anrufe werden auf Wunsch vertraulich behandelt, der Apparat ist noch bis zum 29. April rund um die Uhr besetzt.

Beim Antifa-Telefon, das natürlich nichts mit dem Polizei -Telefon zu tun hat, haben sich in den letzten Tagen Berichte über neonazistische Aktivitäten gehäuft. So seien in der Nacht von Freitag auf Samstag rund 20 uniformierte Männer gegen 1.30 Uhr am Schloß Charlottenburg beobachtet worden, wie sie mit einer Reichskriegsflagge in Richtung Klinikum Charlottenburg marschierten. Nach Informationen der taz wurden außerdem zu Anfang dieser Woche ausländische Schulkinder im Alter von acht und neun Jahren von Skinheads bedroht: „Am 20. April solltet ihr lieber zu Hause bleiben. Sonst werdet ihr umgebracht!“ Ähnliche Vorfälle wurden auch dem Aktionsbündnis bekannt. An die Reinickendorfer Gustav -Freytag-Schule sprühten Rechtsextremisten in der Nacht zum Mittwoch den Spruch: „Wir feiern doch - Rotfront verrecke!“ Ehemals besetzte Häuser und eine Antifaschistische Infostelle bekamen Drohanrufe: „Ihr linken Schweine - wir rotten euch alle aus.“ Auch die Überfälle von Skins rissen nicht ab: So wurde am vergangenen Wochenende eine Frau von italienischen (!) Skins mit abgebrochenen Flaschen traktiert, als sie einem Mann zu Hilfe kommen wollte, der bereits am Boden lag.

Einige LehrerInnen haben auf die Einschüchterungen ihrer SchülerInnen durch Skins mit „schulfrei“ reagiert. Nach Informationen der taz wird ausländischen Jugendlichen und Kindern an mehreren Berliner Schulen die Teilnahme am Unterricht freigestellt. Gleichzeitig wurden die Kinder angewiesen, nur in Gruppen zum Unterricht zu kommen und auch wieder gemeinsam nach Hause zu gehen. Auf den Bahnhöfen der Linie 7 vom Herrmannplatz bis Rudow haben sich die abendlichen Auftritte von Skins in den letzten Tagen wieder gehäuft, wurde der taz mitgeteilt.

Über die geplanten Aktivitäten der Neonazis in Berlin ist bisher wenig bekannt. Dem Vernehmen nach wurde aber in entsprechenden Kreisen eine „Bücherverbrennung“ im Grunewald geplant. Dort finden regelmäßig sogenannte „Wehrübungen“ von militanten Rechtsextremisten statt.

Das Aktionsbündnis hat angekündigt, neonazistischen Aufmärschen mit „massenhafter Anwesenheit aller antifaschistischen Gruppen und Menschen“ entgegentreten zu wollen. Das Antifa-Telefon nimmt entsprechende Hinweise unter der Nummer 692 15 99 entgegen. Es ist von Montag bis Samstag zwischen 16.00 und 24.00 Uhr besetzt.

ccm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen