: Kommunale RWE-Eigner vor der Selbstentmündigung
„Verband kommunaler Aktionäre“ verzichtet auf mehr Kontrolle des Stromkonzerns ■ Von Gerd Rosenkranz
Wenn sich heute mittag der „Verband Kommunaler Aktionäre“ (VkA) in Essen versammelt, wird er einen Schlußstrich unter seine bisherige Geschichte ziehen - und das voraussichtlich ohne jede Gegenstimme. Formal geht es um eine Satzungsänderung, faktisch um die Zentralisierung der Macht in diesem Gremium. Dem Architekten dieser Satzungsänderung, dem nordrhein-westfälischen SPD-Fraktionsvorsitzenden Friedhelm Farthmann, dürfte damit ein taktischer Dreifach -Schlag gelingen: Er hält dem Stromgiganten RWE die AtomkritikerInnen der eigenen Partei und die Grünen vom Leibe, neutralisiert die bisherige CDU-Mehrheit und vermehrt gleichzeitig den Einfluß der SPD auf den Energiekonzern.
Im 63köpfigen VkA sind die kommunalen Eigentümer der RWE zusammengeschlossen. In der Aktionärsversammlung verfügt der VkA über 60 Prozent der Stimmen und könnte den Konzern eigentlich kontrollieren. Doch alle Versuche der atomkritischen Minderheit im VkA, nach Tschernobyl bei der RWE eine Kurskorrektur in Richtung Atomausstieg zu initiieren, zerschellten schon an einer Mehrheit im VkA, in der sich jeweils Vertreter der CDU-Gemeinden mit gut bestallten SPD-Funktionären zusammenfanden.
Letztere scherten sich einen Teufel um die Beschlüsse ihrer Partei zum Atomausstieg und steuerten statt dessen weiter stramm auf RWE-Vorstandkurs. Als sich schließlich das christlich-sozialdemokratische Präsidium des VkA ausgerechnet von einem RWE-Gutachter die Rechtswidrigkeit aller Aufforderungen einzelner Kommunen in Richtung Ausstieg bescheinigen ließ, wurde es selbst Friedhelm Farthmann zu bunt. Er drohte offen mit dem Auszug der SPD-Kommunen aus dem VkA.
Damit wäre für die RWE-Führungsriege ein großer Aktienblock in seinem Stimmverhalten praktisch nicht mehr kalkulierbar gewesen. Mit diesem Faustpfand im Rücken machte sich der SPD -Fraktionschef vor etwa einem Jahr als „Koordinator“ (Farthmann über Farthmann) daran, die Satzungsänderung durchzupowern. Das Ergebnis wird von dem Düsseldorfer Fraktionsoberen völlig anders eingeschätzt als etwa von der einzigen Grünen im VkA, Renate Berger, und auch einigen SPD -VertreterInnen.
Für einen großen Erfolg hält es Farthmann, daß Entscheidungen im VkA nicht mehr wie bisher „nur nach Köpfen, sondern auch nach Kapital“ gefällt werden müssen. Am Kapital des VkA nämlich halten die SPD-Kommunen und Gebietskörperschaften die Mehrheit; die Mehrheit der VkA -Mitglieder hingegen entfällt auf die CDU. Nun werde „die Macht in Richtung SPD verschoben“, freute sich Farthmann gegenüber der taz, und die werde in Zukunft von Düsseldorf aus koordiniert auftreten. Ob dabei mehr herauskommt als bisher, ist mehr als zweifelhaft. Denn für den Fraktionschef ist klar: „Es ist eine Illusion, auf der Basis eines einzelnen Unternehmens (RWE, d.Red.) den Ausstieg durchführen zu wollen, der in Bonn wegen fehlender Mehrheiten nicht gelungen ist.“
Renate Berger, die für den Landschaftsverband Rheinland im VkA sitzt, wertet die neue Satzung schlicht als „Selbstentmündigung der Kommunen“. Tatsächlich wird es im Gegensatz zur alten Satzung nun nicht mehr erlaubt sein, den bisher als GmbH organisierten VkA in einen öffentlich -rechtlichen Zweckverband zu überführen. Der hätte erheblich mehr öffentliche Kontrollmöglichkeiten über die RWE gehabt, die direkt oder indirekt an praktisch allen Atomskandalen der letzten Zeit beteiligt war. An der Allmacht eines in der neuen Satzung vorgesehenen zehnköpfigen VkA-Verwaltungsrats, der wohl unter den aktienkräftigsten SPD- und CDU-Kommunen halbe-halbe ausgekungelt wird, übte auch die SPD-regierte Stadt Solingen Kritik.
Für Farthmann ist das kein Problem. Der eigentliche Einfluß des Kommunalverbandes auf den Konzern laufe eh über die beiden RWE-Vorstandsmitglieder, die „von VkA-Gnaden“ (Farthmann) dorthin entsandt seien. Daß die Grünen sauer sind, kann der Drahtzieher im Hintergrund dennoch gut verstehen. Denn in dem neuen VkA-Verwaltungsrat könne man „die nicht gebrauchen“. Farthmann: „Das ist ein reines Machtspiel. Solange wir das unter uns ausmachen können, mit einem großen Gegner (CDU, d.Red.), ist das natürlich leichter. Das wird erst anders, wenn die Grünen eine Stadt erobern.“
Ein schwacher Trost für Renate Berger, die glaubt, man könne das Vorhaben per Einstweiliger Verfügung kippen. Der neuen Satzung muß sie trotzdem zustimmen. Der Landschaftsverband hat sie dazu verdonnert.
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