: Das Ende einer Jagd
Zum Ausscheiden des neuen Innen-Staatssekretärs Detlef Borrmann als FU-Kanzler ■ P O R T R A I T
An ihm hat sich der alte Senat die Zähne ausgebissen. Buchstäblich alle Hebel setzten die Wissenschaftssenatoren Kewenig und Turner in Bewegung, um Detlef Borrmann als Kanzler an der FU loszuwerden.
Mit dem Ziel, Borrmann zu vertreiben, novellierte Kewenig 1982 das Hochschulgesetz. Borrmanns Kanzlerstelle wurde abgeschafft. Statt dessen wurden neue Stellen, ein Medizinkanzler und ein Kanzler für die Rest-FU, eingerichtet. Kewenigs Hintergedanke, Borrmann sollte sich, wenn er mochte, auf eine der beiden Stellen neu bewerben, um dann auf die höfliche Absage zu warten. Das ging nicht: Borrmann hatte sich keiner Vergehen schuldig gemacht, daher hatte er als hoher Beamter einen Rechtsanspruch auf eine der beiden Kanzlerstellen.
Kewenig versuchte ihn daher FU-intern kaltzustellen. Auf den Posten des Medizinkanzlers sollte er abgeschoben werden. Borrmann klagte dagegen und gewann. So mußte der CDU-Senat ihn wohl oder übel als Kanzler für den nichtmedizinischen Bereich der FU hinnehmen.
Kewenig-Nachfolger Turner baute Borrmann eine goldene Brücke. In das Hochschulgesetz von 1986 schrieb er einen Passus, der es den Universitätskanzlern ermöglichte, unter fürstlichen Konditionen vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Das Angebot zielte auf den 49jährigen Borrmann ab, der 70 Prozent seines Gehalts als Ruhegeld hätte beziehen können. Doch Borrmann winkte ab. Statt dessen schritt unerwartet sein TU-Kollege Höbich über die goldene Brücke, nachdem er sich mit seinem Präsidenten Fricke überworfen hatte.
In der achtjährigen Regierungszeit von CDU und FDP gab es wohl keinen Beamten, für dessen Ablösung Diepgens Senatoren so viel Energie aufgewandt haben wie für Borrmann, den einflußreichen Sozialdemokraten. Aber Borrmann ist nicht einmal ein besonders progressiver Sozialdemokrat, eher ein solider, traditionell orientierter. Er gehörte zu jenen Reformleuten, die nach dem universitären Machtwechsel von 1969 an die FU kamen.
Über Parteigrenzen hinweg hatte er sich einen Ruf als ausgezeichneter Jurist und profilierter Verwaltungsbeamter erworben. Doch Borrmann wagte es, als Beamter eigene Standpunkte zu vertreten, und dies disqualifizierte ihn in den Augen Kewenigs. Als hoher FU-Beamter war Borrmann der CDU hinderlich bei ihrem Vorhaben, die „rote“ FU zu wenden. Die Jagd auf diesen Beamten ist ein Lehrstück über den Regierungsstil des abgewählten Senats. Aber so kann's gehen: Nun sitzt der Gejagte als Staatssekretär in der Behörde seines ehemaligen Jägers.
wist
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