: Kirchen zögerlich zum Hungerstreik
Auch nach fast drei Monaten Hungerstreik hüllen sich die Kirchenleitungen in Schweigen / Doch beide Kirchen geben sich geschäftig / Gefängnispfarrer fordern Zusammenlegung ■ Von Gerd Rosenkranz
Berlin (taz) - „Wir hoffen und erwarten, daß kirchliche Leitungsgremien uns in unserem Bemühen stärker als bisher unterstützen.“ Mit diesem Appell an die eigene Kirchenführung endet eine Erklärung der evangelischen Gefängnispfarrer in der Bundesrepublik, in der sie in der vergangenen Woche die Zusammenlegung der hungerstreikenden Gefangenen forderten. Kompromißbereitschaft staatlicher Stellen sei kein Zeichen von Schwäche und erst recht nicht, wie von Unionspolitikern behauptet, ein Kniefall vor dem Terrorismus, betonten die Geistlichen. Tatsächlich müßten die Gefangenen unter Haftbedingungen leben, die, so die Erfahrung der Pfarrer, am wenigsten geeignet seien, Menschen zum Nach- oder Umdenken zu bewegen.
Während die kirchlichen „Fachleute vor Ort“ klare Worte finden, fehlt von den Führungen beider Kirchen auch nach bald drei Monaten Hungerstreik praktisch jede Stellungnahme. In der Umgebung der Kirchenleitungen wird übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß „öffentliche Verlautbarungen eher schaden als nützen“.
„Die katholische Kirche hat im stillen gearbeitet und tut dies auch nach der gegenwärtigen Entspannung weiter“, sagt ein Sprecher des katholischen Bischofskommissariats in Bonn. In einem Rundfunkinterview erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Karl Lehmann, er wolle „mit öffentlichen Stellungnahmen zurückhaltend sein“. Die „Demokraten“ an den staatlichen Schalthebeln müßten sich „in einer so entscheidenden Sache bewußt bleiben, daß sie in einem Boot sitzen“.
Ziel der Aktivitäten der evangelischen Kirchenführung ist es nach Informationen aus ihrer Umgebung, die Unionspolitiker von ihrer unnachiebigen Haltung abzubringen, ohne sie zuvor öffentlich „in die Ecke zu stellen“. Es gehe darum, daß der „Staat aus einer Position der Sicherheit in diesem Bereich ein Stück Normalität“ schaffe.
Nach zuverlässigen Informationen aus Kreisen einer kirchlichen Nachrichtenagentur hatte sich der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Martin Kruse, bereits zweimal im Verlauf des Hungerstreiks entschlossen, öffentlich Stellung zu nehmen. In beiden Fällen - erstmals nach dem Vermittlungsvorschlag des Berliner Regierenden Bürgermeisters Walter Momper und dann noch einmal nach der Unterbrechung des Hungerstreiks durch Karl-Heinz Dellwo und Christa Eckes - wurde dieses Vorhaben jedoch nach den barschen Reaktionen der C-Parteien wieder fallengelassen. Statt dessen wird auf den SPD -Bundestagsabgeordneten Jürgen Schmude verwiesen, der vor dem Momper-Vorstoß auch in seiner Eigenschaft als Präses der Synode der EKD erklärt hatte, man könne „durchaus zu gewissen Zusammenlegungen kommen“, wenn eine Überführung der RAF-Gefangenen in den Normalvollzug nicht möglich sei.
Letzte Woche, unmittelbar bevor die Unterbrechung des Hungerstreiks der geschwächtesten Gefangenen bekannt wurde, entschloß sich immerhin die Leitung der evangelischen Kirche im Rheinland zu einer ersten Stellungnahme. Danach kann zur Lösung des Problems auch die Zusammenlegung von RAF -Gefangenen „in mehreren Gruppen gehören“.
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