: Hungerstreiks kontraproduktiv?
■ Pressekonferenz des Abteilungsleiters für Strafvollzug zu den Hungerstreiks in den Knästen: Mit Hungerstreiks keine Reformen einklagbar / Derzeit 25 Gefangene im Streik
Was der frischbackene kommissarische Leiter der Abteilung für Strafvollzug, Christoph Flügge, gestern auf einer Pressekonferenz zu den Hungerstreiks in den Berliner Haftanstalten an Informationen gab, war im wesentlichen nichts Neues - vorausgesetzt man hat die taz gelesen: Gestern verweigerten in den Berliner Knästen 25 Gefangene „die Annahme der Anstaltskost“: sieben Frauen in der Frauenhaftanstalt, darunter die beiden RAF-Gefangenen Goder und Rollnick, 15 Männer in Tegel, drei Männer in Moabit und ein Gefangener im Männerknast Plötzensee. Bezüglich des RAF -Hungerstreiks versicherte Flügge, daß der Berliner Justizsenat auf verschiedensten Ebenen Gesprächskontakte mit dem Ziel suche, die CDU- und CSU-regierten Länder zu „ein wenig Flexibilität“ zu bewegen. Ferner werde sondiert, welche Möglichkeiten für die Zusammenlegung der RAF -Gefangenen es in den drei norddeutschen Ländern gebe. Der Abteilungsleiter verwies darauf, daß dieses Thema gestern auch von Justizsenatorin Limbach am Rande einer Sitzung des Bundesrates in Bonn angesprochen werde.
Die Forderungen der übrigen im Frauenknast hungernden Gefangenen, wie „selbstbestimmte Zusammenlegung innerhalb offener Häuser“ bezeichnete Flügge „als schlichtweg unrealistisch“. Die von AL und SPD in der Koalitionsvereinbarung beschlossenen Änderungen im Strafvollzug mit Hungerstreiks einklagen zu wollen, sei völlig abwegig, weil der Vollzug nicht in der zeitlichen Dimension eines Hungerstreiks geändert werden könne. Die Anstaltsleitung Plötzensee werde aber „selbstverstädlich“ die Einzelhaftbedingungen der Frauen und deren Möglichkeiten zur Teilnahme an Sportveranstaltungen „angucken“ , versprach Flügge. Allerdings sei die Bereitschaft der Gefangenen zu einer konstruktiven Zusammenarbeit auch nicht besonders groß gewesen.
Zwischen den elf auf der Dealerstation in Tegel hungerstreikenden Gefangenen und der Anstaltsleitung solle ein Gespräch stattfinden. Daß des Dealens verdächtige Gefangene auf einer isolierten Station abgeschirmt würden, sei sicherlich „restriktiv“, aber notwendig, um den Drogengeschäften beizukommen, sagte Flügge. Für die abgeschirmten Insassen sei jedoch untereinander eine größtmögliche Bewegungsfreiheit anzustreben. Der Abteilungsleiter machte keinen Hehl daraus, daß ihm Forderungen von Gefangenen wie nach Einhaltung der rot -grünen Koalitionsvereinbarungen „nicht unsympathisch“ seien, um dann aufs neue zu betonen, daß Veränderungen im Vollzug nicht durch Hungerstreiks erreicht werden könnten. Im Gegenteil: Durch die Hungerstreiks werde viel Zeit der Anstaltsleitungen und Justizverwaltung vertan, die „sinnvoller“ dazu genutzt werden könne, um die Reformen in die Wege zu leiten.
plu
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