: FAO-Streit über Pflanzen-Patente
■ Konferenz in Rom über die Anerkennung züchterischer Leistungen der Drittwelt-Bauern
Züchter versus Farmer-Rechte - entlang dieser Konfliktlinie debattierte man in den letzten Tagen bei der Organisation für Landwirtschaft und Ernährung der Vereinten Nationen (FAO) in Rom. Die FAO-„Kommission zu Pflanzengenetischen Ressourcen“ tagte, und es ging um nicht weniger als die Zukunft der menschlichen Ernährung auf dieser Welt. Wem gebührt der Zugriff auf neue Pflanzenzüchtungen? Haben auch die Bauern, die zur jahrtausendelangen Entwicklung und Erhaltung ihrer „Landsorten“ beitrugen, Rechte an den rasanten Neuentwicklungen, wenn Züchter mit modernsten Methoden der Gentechnologie aus diesen Landsorten jetzt hochertragsreiche Pflanzen entwickeln? Inwieweit können Patentrechte auf Pflanzenentwicklungen Exklusivität sichern? In letzterer Frage hat sich in den vergangenen Monaten einiges geklärt, seit in den USA und Europa entsprechende Patente anerkannt wurden. In Rom nun zeichnete sich auch die grundsätzliche Respektierung der „Farmer's Rights“ aus den traditionellen Züchtergebieten in den Ländern der Dritten Welt ab. Bei der logischen Konsequenz - finanzielle Beteiligung der Ursprungsländer - hapert es derweil noch. Immer stärker rückt dabei in das Bewußtsein, daß die viele Zehntausende alter Sorten nicht einfach verschwinden können. Man wird sie ständig zur Auffrischung der wenigen übriggebliebenen Variationen der Hochertragssorten von Reis, Mais und anderem Getreide benötigen.
Der institutionelle Rahmen, in dem diskutiert wird, ist neben der 1983 ins Leben gerufenen FAO-Kommission das gleichzeitig als Resolution verabschiedete „Internationale Vorhaben zu pflanzengenetischen Ressourcen“, dessen Einhaltung von der Kommission überwacht werden soll. Darin verpflichten sich die Unterzeichner - allerdings nicht gesetzlich bindend - zu freiem, unbeschränktem Austausch von genetischen Ressourcen sowie dazu, für die Erhaltung, Bewahrung und Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen Sorge zu tragen. Insgesamt 119 Staaten sind Kommissionsmitglieder bzw. Unterzeichner des „Vorhabens“.
Doch haben sich viele Länder nur mit Vorbehalten dem Vorhaben angeschlossen, und um diese Vorbehalte ging es nun in Rom. Die Industrieländer vermissen verbindlich festgelegte Pflanzenzüchterrechte, die in einzelnen Ländern bereits qua Gesetz festgeschrieben sind. Zeitlich begrenzte Monopolrechte auf Herstellung und Vertrieb von Saatgutsorten, so die Argumentation, seien für die Zucht nötig, damit die Züchter ihre Investitionskosten wieder hereinbekämen. Den Entwicklungsländern fehlt im „Vorhaben“ dagegen die Anerkennung, daß die Bauern gerade in den Ländern der Dritten Welt, vor allem in Regionen mit besonders großer genetischer Vielfalt einen enormen Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung pflanzengenetischer Ressourcen geleistet haben, der die Basis unserer heutigen Pflanzenzüchtung und Pflanzenproduktion darstelle. Die Industrieländer hielten dagegen: „Wir können das Konzept der Farmer's Rights nicht gutheißen. Wir sollten nicht blind in eine Gasse rennen und dabei Zeit verschwenden“, kam es aus der britischen Delegation unmißverständlich. London weiß Australien, Kanada und die USA hinter sich - sowie die BRD. Frankreich immerhin will soweit gehen, das Konzept von Farmer's Rights als ein „kulturelles“ anzuerkennen im Gegensatz zu den individuellen Züchterrechten. Der kanadische Agrarexperte Pat Mooney als Vertreter der Nichtregierungsorganisationen (NGO) stellte jedenfalls fest, daß es nun hohe Zeit wäre für die Etablierung von Rechten der Bauern, wenn derzeit in der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und bei den Verhandlungen zum Zoll - und Handelsabkommen (Gatt) die Erteilung von Patenten für Gene, Pflanzen und Tiere vorbereitet werde. Problemloser wäre die Anerkennung der Farmer's Rights, wenn sie nicht mit der Forderung nach finanzieller Kompensation verbunden wäre. Soll in den südlichen Ländern weiterhin genetisch vielfältiges Pflanzenmaterial zugänglich bleiben, das die Auffrischung und Erhaltung der neuen Sorten sicherstellt, so wird dies kaum ohne Subventionen möglich sein, die die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den neuen Hochertragssorten sicherstellen. Hier mußte auch der Vertreter der Niederlande eingestehen: „Genetische Konservierung braucht eine kontinuierliche, zuverlässige Finanzierung. Das ist nicht auf Projektbasis zu leisten.“
Mehrheitsfähige Konzepte für die Finanzierung von solchen Kompensationsleistungen gibt es indes noch nicht. Sollte beim Handel mit Saatgut eine Steuer erhoben werden, so befürchtet beispielsweise Frankreich eine Preisexplosion. Vorherrschend ist jedenfalls die Meinung, daß die Nutznießer aus dem Züchtungsgeschäft zahlen sollen. Und die wurden in Rom benannt. Den USA wird ein Gewinn in Höhe von 176 Millionen Dollar jährlich beim Verkauf von Reis mit südostasiatischen „Ahnen“ zugeschrieben. Weizenkeimmaterial aus dem internationalen Agrarforschungsinstitut in Mexiko bringt sogar 1,8 Milliarden Dollar.
In den vor zwei Jahren eingerichteten Topf für einen Internationalen Genfonds zur Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen, sind inzwischen von verschiedenen Seiten her Gelder eingegangen, wenn auch spärlich. Allen voran hat Spanien 195.000 Dollar für Ausbildungsarbeit in Lateinamerika angewiesen, diverse NGO haben kleinere Beiträge entrichtet, und die Züchterfirma Pioneer aus den USA steht mit 50.000 Dollar im Wort. In den Streit um den parallel zur Kommission bei der FAO assoziierten Rat für Pflanzengenetische Ressourcen hat sich jetzt auch die Bundesrepublik eingeschaltet. Der von den Industrieländern beherrschte Rat, der für die internationale Sammlung von Genmaterial zuständig ist, sollte nach dem Willen der FAO stärker an die UN-Organisation angebunden werden. Aus Protest dagegen wollte man schon den Sitz nach Kopenhagen verlagern, wogegen sich jetzt Bonn als einer der wichtigsten Geldgeber verschärft ausgesprochen hat.
Creszenzia Freudling/ulk
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