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La Hague gegen Rot-Grün

■ Wackersdorf: Zwischen Salamitaktik und politischer Gefahrenabwehr

KOMMENTAR

Der zwischen Veba und der französischen Staatsfirma Cogema geschlossene Vorvertrag, ab 1999 jährlich bis zu 600 Tonnen abgebrannter Brennelemente in der französischen Anlage La Hague wiederaufzuarbeiten, kann das Aus für die in Wackersdorf geplante Wiederaufbereitungsanlage bedeuten. Veba-Chef Benningsen-Foerder verweist mit taktischer Finesse auf politische Vorteile: Der Vertrag sei eine Chance, um „die heißgelaufene Diskussion über die Kernenergie in der Bundesrepublik zu entlasten“. Zudem eröffnet der europäische Binnenmarkt mit der Wiederaufbereitungsofferte aus Frankreich der bundesdeutschen Atomindustrie handfeste betriebswirtschaftliche Vorteile.

Auch der Stromriese RWE bezeichnete diese Variante des „Entsorgungsnachweises“ als „betriebswirtschaftlich sehr interessant“. Die Manager aus Essen wissen, wovon sie sprechen. Sie suchen bereits seit Jahren nach entsprechenden Ausweichmöglichkeiten. Schon 1984 wurde mit der Volksrepublik China eine Lagerung bestrahlter Brennelemente in der Wüste Gobi vertraglich festgehalten. Mit British Nuclear Fuels, der Betreiberfirma von Sellafield (früher Windscale), die seit über zehn Jahren ebenfalls den Neubau einer Wiederaufbereitungsanlage plant, hat das RWE um den Kauf eines Anteils verhandelt. Auch die Sowjetunion hat in der Vergangenheit diverse Angebote zur Wiederaufarbeitung unterbreitet. Man sieht: Die „Flucht“ ins Ausland ist gar nicht so neu.

Relativ unbekannt sind auch die erheblichen technischen Schwierigkeiten. Die mit dem Bau beauftragte Kraftwerkunion hat keinerlei Erfahrungen mit der Errichtung von Wiederaufbereitungsanlagen. Nach welchem Verfahren die eigentliche Wiederaufarbeitung erfolgen soll, steht als Entscheidung noch immer aus. Mit einer Inbetriebnahme dieses Anlagenteils wäre vor der Jahrtausendwende ohnehin nicht zu rechnen. Das ursprünglich vorgesehene PUREX-Verfahren stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. An besseren Verfahren wird in aller Welt erst noch gearbeitet.

Die technischen Probleme wurden bisher gegenüber der Öffentlichkeit möglichst verschwiegen, um dem breiten Widerstand gegen eine deutsche WAA im Stil der Salamitaktik scheibchenweise Kompromisse anbieten zu können. Eine wichtige Funktion für die Atomindustrie hat Wackersdorf nämlich selbst dann, wenn statt einer Aufarbeitungsanlage nur weitere Becken zur Lagerung abgebrannter Brennelemente auf deutschem Boden zur Verfügung stehen.

Inzwischen hat aber ein anderer Unsicherheitsfaktor für die AKW-Betreiber sehr an Bedeutung gewonnen. Nach den Wahlniederlagen der CDU in Schleswig-Holstein, Berlin und Frankfurt ist auch in anderen Bundesländern und im Bund eine rot-grüne Wende absehbar. Damit steht der Ausstieg aus der Atomkraft auf der politischen Tagesordnung. Die angestrebte deutsch-französische Kooperation bei der Wiederaufarbeitung ist ein Musterbeispiel dafür. Im Sinne einer politischen Gefahrenabwehr haben die Chefetagen der Atomindustrie begonnen, wirtschaftliche, juristische und vertragliche Hindernisse bis weit ins nächste Jahrtausend aufzubauen, um einer rot-grünen Bundesregierung den Ausstieg so schwer wie möglich zu machen.

Lutz Mez

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