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Neonazis blufften die Republik

■ Rechte Aufmärsche zum „Hitler-Geburtstag“ blieben aus / Allein die Ankündigungen hatten an verschiedenen Orten zu Angst und Schrecken geführt / Festnahmen vor allem im linken Spektrum

Berlin (taz) - Die befürchteten Aufmärsche neonazistischer Gruppen anläßlich des 100. Geburtstages von Adolf Hitler blieben in der gesamten Republik einschließlich West-Berlin weitgehend aus. Trotzdem kam es in mehreren Städten zu Auseiandersetzungen und Festnahmen, von denen überwiegend Jugendliche aus dem antifaschistischen Spektrum betroffen waren.

In Berlin kam es in der Nacht zum Freitag zu mehreren Schlägereien zwischen antifaschistischen Jugendcliquen und Skinheads. So wurde eine Gruppe von jungen Leuten nachts um fünf von acht Skinheads in Kreuzberg überfallen. Gegen Mitternacht prügelten sich 18 Jugendliche vor der Kongreßhalle im Tiergarten, die „Schlagwerkzeuge aller Art“ (Polizeibericht) bei sich trugen. Alle Beteiligten, darunter fünf Skins, wurden festgenommen.

Rechtsextremisten sind auch für die Schändung eines türkischen Friedhofs in Neukölln verantwortlich zu machen. Unbekannte warfen in der Nacht zum Donnerstag Grabsteine um. Erheblicher Sachschaden entstand durch Feuer in einer Neuköllner Grundschule: Rechtsextremisten hatten zwei Fenster eingeworfen und brennbare Flüssigkeit in zwei Klassenräume gegossen.

Zu rund 40 Verhaftungen kam es, als rund 500 türkische und deutsche Jugendliche Donnerstag nacht durch Kreuzberg zogen, um spontan gegen Neonazis zu demonstrieren. Schon am Donnerstag hatte die Polizei mehrere Jugendliche in „Gewahrsam“ genommen, die als selbsternannte „Schutztruppe“ durch Berliner Stadtteile zogen, um „gefährdete Häuser“ zu beschützen. In den beiden letzten Tagen wurden insgesamt etwa 100 Personen im Zusammenhang mit dem „Hitler -Geburtstag“ verhaftet.

Noch krasser war der Widerspruch zwischen befürchtetem Neonazi-Terror und dem, was dann real passierte, in Hamburg. Ein Flugblatt der Neonazis, durch die örtliche Boulevardpresse ordentlich publik gemacht, hatte dazu geführt, daß in bestimmten Stadtteilen ausländische SchülerInnen sich nicht zum Unterricht trauten und Schulen und Kindergärten halbleer blieben. Das ganze erwies sich im nachhinein als Bluff: Bis spät in die Nacht ließen sich keine Neonazis sehen, die an einschlägigen Stellen postierte Polizei konnte ohne Einsatz abziehen.

Zwei kaputte Fensterscheiben, 21 Festnahmen und fünf Anzeigen wegen Landfriedensbruchs, das ist die Bilanz von Auseinandersetzungen zwischen Autonomen, Punkern, türkischen Jugendlichen und der Polizei vor dem Jugendzentrum Bremen -Huchting. Punker und Autonome waren gegen 22.00 Uhr in Huchting eingetroffen, um die türkischen Jugendlichen vor Übergriffen von Skins zu schützen. Skins waren zu diesem Zeitpunkt aber nirgendwo zu entdecken. Als aus der Gruppe heraus zwei Fensterscheiben des Jugendzentrums eingeschlagen wurden, schritt die Polizei ein.

In Huchting herrschte Angst und Schrecken. Gerüchten zufolge wollten Skins dort AusländerInnen überfallen. Türkische Geschäfte blieben geschlossen, Eltern schickten ihre Kinder nicht zur Schule.

tazSiehe Kommentar S. 8

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