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Pekings Studenten auf den Barrikaden

■ 6.000 Menschen wollten ins Pekinger Parlament eindringen / Sie scheiterten auf den Stufen vor der Halle des Volkes / 35.000 Demonstranten auf Platz des himmlischen Friedens versammelt / Medien verlangen hartes Durchgreifen / Heute Beerdigung von Hu Yaobang

Peking (afp) - Die seit Tagen anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen Chinas Führung und Studenten spitzen sich immer weiter zu einer politischen Kraftprobe zu.

Etwa 6.000 Menschen unter Führung der Studenten versuchten gestern vergeblich, in die Große Halle des Volkes im Zentrum Pekings einzudringen. Obwohl nur einige wenige Parlamentsbedienstete sich ihnen in den Weg stellten, kamen die Demonstranten nur bis zur obersten Stufe, scheuten sich dann aber offensichtlich vor dem letzten Schritt und kehrten zum angrenzenden Tiananmen-Platz (Platz des Himmlischen Friedens) zurück, ohne das Parlament betreten zu haben. Dort hatten sich zuvor erneut über 35.000 Menschen zu Trauerkundgebungen für den am vergangenen Samstag verstorbenen ehemaligen Parteichef Hu Yaobang, einen engagierten Reformer, eingefunden.

Vorsorglich haben die Behörden für heute anläßlich der offiziellen Trauerfeierlichkeiten für Hu in der Großen Halle des Volkes den Tiananmen-Platz für die Öffentlichkeit gesperrt. Die offiziellen Medien warnten zudem die Studenten vor weiteren Störmanövern während der Trauerfeierlichkeiten. Gleichzeitig riefen sie die Behörden auf, gegen die Proteste durchzugreifen.

Bereits zweimal hatten Demonstranten während der seit Montag anhaltenden Massenkundgebungen im Zentrum Pekings versucht, in das Hauptquartier von Partei und Regierung einzudringen, waren jedoch jedes Mal von der Polizei gewaltsam zurückgedrängt worden. Im Gegensatz dazu hielten sich gestern nur wenige Polizisten vor dem Parlamentsgebäude auf. In ihrem ersten Kommentar zu den Massenkundgebungen auf dem Tiananmen-Platz warnte die parteiamtliche 'Volkszeitung‘ die Studenten vor schwerwiegenden Konsequenzen, sollten sie die heutigen offiziellen Trauerfeiern zur „Destabilisierung“ des Landes benutzen.

Bislang habe sich die Regierung tolerant gegenüber den „illegalen Aktivitäten einer Minderheit der Bevölkerung“ verhalten. Doch dürfe diese Toleranz nicht als Schwäche ausgelegt werden. Nach Darstellung der Nachrichtenagentur 'Xinhua‘ haben die Proteste „die gesetzlichen Grenzen überschritten“. In Shanghai herrschte dagegen gestern nach den Studentenkundgebungen in der Fudan-Universität gespannte Ruhe. Angestellte der Universität kontrollierten die Ausweise aller Besucher, einigen Ausländern wurde der Eintritt verwehrt. Einige von ihnen zeigen allerdings inzwischen Ermüdungserscheinungen und eine gewisse Ratlosigkeit angesichts der Übermacht des Parteiapparats. „Wenn du ein Ei gegen einen Felsen schleudert, wer von beiden zerbricht?“ fragte ein Student in die Runde. Er erhielt keine Antwort. Kommentar auf Seite 8

Siehe auch Hintergrundbericht

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