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„Man kann hier auf Bush verzichten“

■ Stellvertretende Parlamentspräsidentin Hilde Schramm (AL) teilt Kritik von Ströbele an der Einladung an den US-Präsidenten / Der Senat reagiert gelassen auf die AL-Äußerungen / Heftige Reaktionen aus Bonn und von CDU/FDP / Keine einheitliche Position in der AL

Als „platten Demoautomatismus“ hat gestern Senatssprecher Kolhoff die Vorstellungen des AL-Vorstandsmitglieds Ströbele zum Besuch des amerikanischen Präsidenten in Berlin bezeichnet. Ströbele hatte am Samstag erklärt, Bush sei kein willkommener Gast in der Stadt, und er werde sich dafür einsetzen, daß die AL zu einer Demonstration gegen seine Politik aufruft (siehe taz vom 22.4.).

Senatssprecher Kolhoff sieht allerdings keinen Anlaß für einen Koalitionsstreit. Die Alternative Liste sei eine „vielfältige und bunte Partei“, sagte er, da gäbe es viele Meinungen. Der Senat habe zur Einladung an den Präsidenten eine klare Position. An die AL gerichtet sagte Kolhoff, die Vorurteilsfreiheit, mit der die Amerikaner dem rot-grünen Senat begegnet seien, „stünde uns auch gut an“.

Bundesweit haben die Aussagen Ströbeles teils heftige Reaktionen ausgelöst. Der FDP-Bundestagsabgeordnete und neuer Landesvorsitzender seiner Partei in Berlin, Wolfgang Lüder, warf der AL „Doppelzüngigkeit und Heuchelei“ vor. Er spielt damit auf das „Essential-Papier“ der Koalitionsvereinbarung an, in dem sich die AL zum Status der Stadt bekennt. Zugleich beweise das schon jetzt die „Brüchigkeit“ der Zusagen der AL an die SPD.

Daß Ströbele dem Amerikaner die kalte Schulter zeigt, findet der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer „dreist“. Man könne nicht die demokratischen Vorzüge in Anspruch nehmen und gleichzeitig der „Schutzmacht des freien Berlin vors Schienbein treten“. Und der Bonner Regierungssprecher Klein wußte gestern bereits der 'Welt am Sonntag‘ zu sagen, das sei genau diese Entwicklung „zum Schaden Berlins“, die er vorausgesagt habe und die von den Sozialdemokraten zu verantworten sei. Weit vorsichtiger und zurückhaltender reagierten die amerikanischen Alliierten. Man habe, hieß es gestern, von einer Empfehlung für Präsident Bush abgesehen.

Unterstützt wurde Ströbele gestern von seiner Parteikollegin und stellvertretenden Parlamentspräsidentin Hilde Schramm. „Man kann hier auf Bush verzichten“, sagte sie gestern. Der Besuch des amerikanischen Präsidenten sei ein ungeklärter Punkt zwischen AL und SPD. „Momper weiß, daß dieser Konflikt auf ihn zukommt, uns ist völlig klar, daß das schwierig wird.“ Die Partei stehe zur Präsenz der Alliierten in der Stadt auch wenn sie sich an einer Demonstration gegen Bush beteilige.

bf

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