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Gerhard Tötemeyer ist Politikprofessor an der Universität Namibia

Gerhard Tötemeyer ist Politikprofessor an der Universität

Namibia

taz: Zu Beginn des Unabhängigkeitsprozesses ist es im Norden Namibias zu den schwersten Kämpfen in der Geschichte des Landes gekommen, als Swapo-Kämpfer von Angola aus über die Grenze kamen und von den südafrikanischen Besatzungstruppen brutal verfolgt wurden. Das Apartheidregime wirft der exilierten Swapo-Führung vor, das Abkommen gebrochen und 2.000 Kämpfer noch nach dem 1. April, dem Stichtag für das Abkommen, über die Grenze geschickt zu haben. Die Swapo wiederum behauptet, die Kämpfer seien schon vor dem 1. April in Namibia gewesen. Was denken Sie?

Gerhard Tötemeyer: Viele dieser Kämpfer, vielleicht 50 Prozent von ihnen, waren schon vor dem 1. April im Ovamboland. Das Apartheidregime hat das gewußt, konnte aber nichts machen. Sonst hätte es in den letzten Tagen vor dem Beginn des Unabhängigkeitsprozesses militärisch zuschlagen müssen. Das hätte sich negativ auf das internationale Ansehen Südafrikas ausgewirkt. Auf seiten der Swapo war auch ein gehöriger Schuß Naivität im Spiel. Aber dafür sind nicht die Swapo-Kämpfer verantwortlich. Ihnen ist gesagt worden, geht rein, da werden Untag-Leute sein, gebt denen eure Waffen, und dann geht zu Basen.

Es wird schon seit langem über Spannungen zwischen den Swapo-Führern in Namibia und denen im Exil gesprochen.

Nein. Es hat sich eine sehr starke Solidarität entwickelt. Ich war selbst im Norden: Die Swapo wird stärker unterstützt denn je. Die Kämpfer, die über die Grenze gekommen sind, gelten als Märtyrer und als Helden. Allerdings haben die Kämpfe zu einer stärkeren Polarisierung zwischen der weißen Bevölkerung und der Swapo geführt. Mehr Leute werden sich jetzt entschließen, dem Land den Rücken zu kehren, mehr Kapital wird das Land verlassen. Es ist eine Vertrauenslücke entstanden, auch bei den farbigen Namibiern.

War die interne Führung vom Vorgehen der Exil-Swapo überrascht?

Ja, die waren völlig verunsichert. Aber ich habe gehört, daß Sam Nujoma selbst die Sache nicht angeordnet hat, sondern daß die Initiative von der militärischen Führung ausgegangen ist. Es könnte sein, daß jemand im Swapo -Politbüro mit dem Militär zusamengearbeitet hat. Doch Nujoma hat in einem Interview vor etwa zwei Monaten schon ganz offen gesagt: „Wir werden Basen in Ovamboland haben.“ Insofern hat auch Sam Nujoma sich damit identifiziert. Grundlage dafür sind zwei große Probleme: Erstens hat die Swapo an den Verhandlungen selber nicht teilgenommen. Zum anderen wurde auf Südafrika besondere Rücksicht genommen. Man konnte ja nicht ohne das Apartheidregime verhandeln. Herausgekommen sind Kompromisse mit vagen Passagen, die jetzt entsprechend unterschiedlich ausgelegt werden.

Werden sich die Ereignisse auf den Wahlkampf auswirken.?

Wenn die Wahlen noch am 1. November stattfinden. Da habe ich Bedenken. Denn die Situation im Norden ist nicht unter der Kontrolle der UNO, sondern unter der von südafrikanischen Truppen.

Kommt der Unabhängigkeitsprozeß wieder in Gang?

Ich glaube, keine Partei ist an einem Kollaps des Prozesses interessiert. Zuallererst muß der Konflikt deeskaliert werden. Das findet bereits statt. Doch die Lage im Norden ist verfahren. Wichtig ist deshalb, daß das Ansehen der UNO -Truppen wieder gestärkt wird.

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