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Es konzertieren: Latin Quarter

■ Viele mögens lau

Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, daß „Latin Quarter“ an zwei Tagen hintereinander auf die Bühne des Modernes steigen mußten: Die Riesennachfrage nach den schaumgebremsten Politsongs der Londoner machte ein Wiederholungskonzert erforderlich. „Griffige Pop-Musik mit hohem Identifizierungsgrad für die ganze fortschrittliche Familie“, attestierte ihnen die taz damals, und so ist es geblieben: Latin Quarter besetzen vorrangig das Image des von der Sorge um die Welt umgetriebenen kleinbürgerlichen Musikers, des poetischen Betrachters all der weltlichen Schrecklichkeiten aus sicherer Distanz - es gibt kaum ein Problemfeld, das Texter Mike Jones und Composer Steve Skaith nicht beackert hätten.

Doch trotz der unbestreitbaren Qualität der Texte wirkt das Ergebnis wenig authentisch. Mike Jones hat den Info-Pool der Nachrichtenmagazine in teils brilliante Verse gefaßt - und Steve Skaith paart sie mit in romantischen Klischees und seichten Arrangements schwimmenden Melodien.

Glaubt man ihrem Anspruch, muß als ihr besten Lied „Slow Waltz for Chile“ gelten (Steve Skaith sang es am Schluß des 87er Konzerts, und es bildet auch den Abschluß der aktuellen LP), weil es sich als einziges konsequent in die Tradition der bürgerlich-intellektuellen Helden des Topical Song von Seeger über Bob Dylan bis Joan Baez stellt. Die nämlich erkannten, daß sie einem Versumpfen in die verinnerlichten bürgerlichen Musikklischees nur durchs Reduzieren aufs Elementare entgehen konnten, sprich auf Gitarre, Gesang, Text.

Exakt so wird Latin Quarters Chile-Song zu einer anrührend traurigen Abrechnung, mit einem hier nun wirklich wunderbaren Text. Sinnigerweise enthält er die Zeile, an deren grundsätzlicher Aussage die so ehrenwerten künstlerischen Absichten der Polit-Band letztlich scheitern: „In suffering there just is no romance“. Doch werden es wohl gerade die zahlreichen so flauschig-unverbindlich arrangierten Ohrwürmchen sein, die heute abend im Modernes für einen vollen Saal sorgen werden.

Rainer Köster

Modernes, 20 Uhr

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