Rainer Langhans-betr.: "Es gibt nichts zu tun, packen wir's an", taz vom 12.4.89

betr.: „Es gibt nichts

zu tun, packen wir's an“,

taz vom 12.4.89

(...) Da wird in erbärmlicher Wurstigkeit des Gedankens Unbegründetes auf Nichterläutertes getürmt, Halbwahrheit auf Lüge geschichtet und die von den Nazis vorgelegte, nach Schlachthof stinkende Raubkopie der roten Idee vom beßren Erdenleben für das Original genommen. Die Idee einer „Utopie im Faschismus“ - das ist radikalste Selbstdementierung des Humanismus und die Abdankung des Intellekts.

Da würgt Langhans die gleiche dumpf raunende Biermystik den Schlund hoch, die schon die entfesselten Kleinbürger der Weimarer Zeit den faschistischen Tribunen zugeneigt machte. Jeder halbgebildete Nazi/Skinhead kann sich in diesen Dunstschwaden des gesprochenen Worts wohlfühlen. Nur eine wahre Erkenntnis birgt dieses Daherreden: daß die Linke „ohne Psychologie“ war. In der Tat - die fehlende Theorie im Marxismus, um die Exaltation der Gemüter theoretisch -praktisch zu mäßigen, der Mangel an Seelenkunde im Klassenkampf - der Versuch also, die politische Revolution ohne die Kulturrevolution zu betreiben, beließ die Kulturrevolution im Naturwüchsig-Unbegriffenen und machte sie durch diesen Verzicht auf ihre theoretische Erhellung den Nazis zur willkommenen Beute. Menschen wie Ernst Bloch haben das gespürt, und Menschen wie Jürgen Habermas arbeiten dieses Defizit auf dem Stand der Theorie auf.

Aber Rainer Langhans - das steht wohl in Zukunft für die unbegriffene Wiederholung mythisierender Dilettantismen, die bloß die Nacht erneuern, in der alle Ideen gleich grau sind. (...)

Ingbert Jüdt, Schwetzingen

(...) Hätte die Linke nicht, wie Du ganz richtig bemerkst, „keine Psychologie gehabt, niemals...“, dann wäre ihr und Dir bekannt, daß es zwischen den Polen Ohnmachts- und Allmachtsphantasien noch ein drittes gibt, nämlich die Erkenntnis ich bin partiell mächtig (H.E.Richter 1976).

Und dann müßte auch nicht der ohnmächtige (Euro-)Taoist den allmachtssuchenden Gentechnikern und anderen Faschisten tatenlos zusehen, wie sie erfolglos versuchen, Gott zu spielen. Denn die Fiktion des Hellen, Schönen, Reinen wird nicht wegen Nichterreichens über Bord geworfen, sondern erst nach der Versöhnung mit dem Dunklen, Häßlichen, Bösen in uns. Dafür gibt es viel zu tun.

Dafür müssen wir uns, wie Du richtig sagst, mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen und „dieses Erbe von unseren Eltern übernehmen“ und weiterentwickeln. Die Denkblockaden, von denen Du sprichst, die die mangelnde Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus aufgerichtet hat, begegnen mir jeden Tag. Gerade in der Diskussion über Ökologie, über die Probleme des unaufhaltsamen Bevölkerungswachstums, über sinnvolle langfristige gesellschafts- und sozialpolitische Strategien blockiert die unverdaute Erfahrung des „tausendjährigen Reiches“ jede Auseinandersetzung. Dabei müßten wir, um überleben zu können, jetzt Schritte tun, die sich erst in 100, 200 Jahren bezahlt machen.

Doch eine Unterscheidung zwischen dem Weg, der in die großtechnologische Endlösung der „Schönen neuen Welt“ führt und dem, der in eine, sich von unten immer wieder neu organisierende, alternative Gesellschaftsform führt, ist nur möglich, wenn das faschistische „Faszinosum“ aufgebrochen wird. Dazu bedarf es jedoch mehr, als einer Haltung des Nichttuns; und auch mehr als einer Haltung des Laßt-die -Frauen-nur-machens.(...)

Mein lieber Junge, Rainer, den Kampf um die Integration des Bösen gewinnen wir nur gemeinsam. Du mußt Dir Deine zarten Fingerchen dabei auch schmutzig machen, nicht nur die Frauen vorschicken.

Markus Kapuste, München

Rainer Langhans als alter Esoteriker weiß doch sicher auch, daß das menschliche Wollen das letzte ist, was an Geistesgriffen aufgegeben wird; deshalb auch kann er nicht anders, als sein Schweigen brechen und wieder mitmischen wollen. Das ist ja auch sein gutes Recht. Und er weiß bestimmt auch, daß die mangelnden Visionen beziehungsweise die fehlende Heilssuche dieser Generation eine der Konsequenzen aus dem verlorenen Krieg ist, wie auch in die Einsicht in die Vergeblichkeit von Kampf überhaupt.

Der Begriff Liebe fehlt in dem ganzen Gedanken- und Gefühlsbericht. Und daß selbst damit sich diese 68er -Generation schwertut - wo doch gerade wir wissen sollten, daß es genau darum geht: um Liebe, das Prinzip, welches alles am Laufen hält.

Katharina Grozky

(...) Wäre diese intellektuell unterentwickelte Geschwätzigkeit in ihrer faschistoiden Gespenstigkeit nicht so makaber, so könnte man lachen. Fatal ist nur, daß solche talmiphilosophischen Eskapaden nicht einmal so singulär sind, wahrscheinlich sogar, selbst unter LeserInnen der taz, auf Zustimmung stoßen. Jedenfalls gelingt es Langhans, Jenninger und einige Historikerrevisionisten rechts zu überholen. Es erübrigen sich auch alle Gegenargumente. Man würde den Langhansschwachsinn nur aufwerten.

Sollte es sich um eine gezielte Provokation handeln, so sollten wir uns daran erinnern: der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem der Langhans kroch. Vielleicht nimmt Mutter Courage-Rosh sich seiner für eine Talkshow an. Noch etwas mehr Publicity könnte nichts schaden. Wir wissen dann wenigstens, woran wir sind - und nicht nur bei Langhans. (...)

Walter Sternheim, Hamburg 60

Obwohl ich viele von Langhans‘ Theorien auch für weit hergeholt halte, haben mich die Reaktionen in den Briefen erschreckt. Kaum äußert mal einer unkonventionelle, wenn auch vielleicht krause Gedanken, schon fallen diese ach so aufgeklärten Leute über ihn her und schütteln kübelweise Vorurteile und Gehässigkeiten über ihn aus.

Das reicht von den Haßtiraden eines sogenannten Ökokommunisten über die plumpe Gleichsetzung von Spiritualität, Okkultismus und Aberglauben bis zur kategorischen Forderung nach einer Zensur solcher Beiträge. Dies zeugt meines Erachtens alles von einer beschämenden geistigen Unflexibilität, von Unfähigkeit, sich vorurteilsfrei und offen mit fremden Gedanken auseinanderzusetzen beziehungsweise neue Sichtweisen überhaupt zuzulassen. (...)

Susanne, München