: Todesstrafe - weltweit: Amnesty international legt eine Dokumentation über die staatliche Tötungspraxis vor
Amnesty international legt eine Dokumentation über die
staatliche Tötungspraxis vor
In mehr als 100 Ländern auf allen fünf Kontinenten gibt es auch heute noch die Todesstrafe - darunter fast alle afrikanischen Staaten, die USA, aber auch acht europäische Länder. Dies geht aus einer fast 500 Seiten starken Untersuchung der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) hervor, die jetzt in London veröffentlicht wurde. Nach offiziellen Statistiken sind in den vergangenen zehn Jahren 15.320 Männer, Frauen und Kinder weltweit hingerichtet worden. Ai schätzt die Zahl der tatsächlichen Hinrichtungen jedoch auf rund 40.000.
Die Todesstrafe wird nicht nur für Mord verhängt, sondern auch für Delikte wie Drogenhandel, Kindesentführung und Raub sowie in etlichen Ländern auch für Korruption, Unterschlagung, Prostitution und Ehebruch. Hingerichtet wird durch Erhängen, Erschießen, elektrische Stromstöße, Vergasen, Giftspritzen, Enthaupten, und Steinigungen. Nicht immer tritt der Tod sofort ein. So dauerte 1984 eine Hinrichtung im US-Bundesstaat Georgia auf dem elektrischen Stuhl zehn Minuten.
Oft ist das langsame Töten gewollter Teil der Hinrichtung. In Nigeria wurden 1986 zwei Männer durch langsames Erschießen hingerichtet, das Exekutionskommando begann zunächst in die Beine seiner Opfer zu schießen und „arbeitete“ sich langsam aufwärts. Neun Minuten dauerte der Erstickungstod eines zum Tode verurteilten Arbeiters 1981 in Kuwait. Das Strafgesetzbuch im Iran schreibt vor, daß bei Steinigungen, „die Steine nicht so groß sind, daß die Person stirbt... Sie sollen aber auch nicht so klein sein, daß sie nicht als Steine bezeichnet werden können“.
Auch in einigen europäischen Ländern ist die Todesstrafe noch Teil des Rechtssystems. In der UdSSR wurden zwischen 1985 und 1988 über 60 Menschen durch Erschießungskommandos hingerichtet, darunter auch für Nichtgewaltverbrechen wie Diebstahl und Bestechlichkeit. Mittlerweile hat in der UdSSR eine breite öffentliche Debatte über die Todesstrafe eingesetzt. Im Dezember 1988 wurde ein Gesetzentwurf veröffentlicht, der die Zahl der mit dem Tode bedrohten Delikte von 18 auf sechs reduzierte. In Ungarn, Polen, Jugoslawien, der CSSR, Rumänien, Albanien und der Türkei fanden in den vergangenen Jahren ebenfalls Hinrichtungen statt. Sechs europäische Länder haben in den vergangenen zehn Jahren die Todesstrafe abgeschafft: Luxemburg und Norwegen 1979, Frankreich 1981, Holland 1982, die DDR und Liechtenstein 1987. Zwölf von 22 Mitgliedsstaaten des Europarats haben bis Januar 1989 das 6. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention - die erste verbindliche internationale Vereinbarung zur Aschaffung der Todesstrafe in Friedenszeiten - ratifiziert: Österreich, Dänemark, Frankreich, Island, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Spanien, Schweden und die Schweiz.
Außer in Kap Verde existiert die Todesstrafe in allen afrikanischen Staaten. Besonders häufig wird sie in Nigeria (1985: 301 Hinrichtungen) und in Südafrika (rund 100 Hinrichtungen jährlich) verhängt. In den Komoren, der Elfenbeinküste, Djibouti, Sao Tome/Principe und den Seychellen wurde seit Erlangung der Unabhängigkeit niemand hingerichtet, in Senegal, Tansania und Togo liegen die letzten Hinrichtungen Jahre zurück.
In Asien ist die Todesstrafe vor allem in China, Indonesien, Indien, Malaysia und Pakistan verbreitet. Ai schätzt, daß in China seit 1983 im Rahmen einer landesweiten Kampagne gegen Verbrechen rund 30.000 Menschen hingerichtet wurden. Sie waren unter anderem des Mordes, der Vergewaltigung, des Raubs, der Korruption, des Betrugs, der Vorführung pornographischer Filme und der Bildung von Geheimgesellschaften schuldig befunden worden. In Japan verbringen viele Verurteilte Jahrzehnte in der Todeszelle. In den vergangenen Jahren wurden vier zum Tode Verurteilte in neuen Verfahren freigesprochen, nachdem sie über 30 Jahre in der Todeszelle verbracht hatten.
Auf dem amerikanischen Kontinent wird die Todesstrafe vor allem in Chile, Kuba und den USA praktiziert. In den USA sitzen 2.182 Häftlinge in Todeszellen, 40 Prozent von ihnen sind Schwarze. In den meisten lateinamerikanischen Ländern ist die Todesstrafe in den 70er Jahren abgeschafft worden. Ai startet heute eine internationale Kampagne gegen die Todesstrafe. Erneut appelliert die Organisation an die Regierungen, diese „grausame, unmenschliche und erniedrigende Strafe“ abzuschaffens.
taz
Die Komplette ai-Dokumentation erscheint im Fischer -Taschenbuchverlag unter dem Titel „Wenn der Staat tötet Todesstrafe contra Menschenrechte“
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