: Warten auf Seine Majestät
■ Zu den sozialen Protesten in Jordanien
Seine Majestät, der König...“ Diese vier Worte pflegen nur allzu häufig die Nachrichten im jordanischen Fernsehen einzuleiten. Nach den Revolten gegen die Preissteigerungen wird nun mit Spannung erwartet, welche Entscheidungen der König in den nächsten Tagen dem Eingangsritual folgen lassen wird.
Szenen wie die der letzten Woche hatte das Land seit dem palästinensisch-jordanischen Showdown im Jahre 1970 nicht mehr erlebt. Doch diesmal waren nicht die Palästinenser auf die Straße gegangen, die die Mehrheit der Bevölkerung stellen, sondern die seßhaft gewordenen Beduinen im Süden des Landes, die politische Basis des Königshauses.
Die Ursache liegt in der wirtschaftlichen Benachteiligung der Region. Die Diskrepanz zwischen arm und reich, den phantastischen Luxuspalästen auf den Hügeln um die Hauptstadt Amman und den einfachen Lebensbedingungen in der Provinz ist im letzten halben Jahr noch größer geworden. Das Ende der Zahlungen aus den arabischen Staaten, der Wegfall lukrativer Arbeitsplätze am Golf und der Abzug palästinensischer Vermögen nach dem Kappen der Verbindungen zur Westbank hatten die Krise eingeläutet. Bei einer Auslandsverschuldung von sechs Milliarden Dollar für eine Bevölkerung von knapp drei Millionen war der Weg in die Zahlungsunfähigkeit vorgezeichnet. Nach einer Abwertung des Dinar und Preissteigerungen um 50 Prozent im letzten Herbst ging es nun nach den vom IWF verlangten neuen Erhöhungen für viele, die schon in den letzten sechs Monaten mehr schlecht als recht zurande kamen, ans Eingemachte. Vorbei sind die Zeiten der Stabilität. Jordanien hat eine rasante Entwicklung durchlaufen - hin zu einem Land, dem die Probleme anderer Staaten der sogenannten Dritten Welt nicht länger fremd sind. Die Misere kulminierte ausgerechnet im islamischen Fastenmonat Ramadan. Angesichts der Sitte der abendlichen Festessen schlugen die neuen Preise für Güter des täglichen Bedarfs besonders ein.
Mit der Entscheidung vom letzten Frühjahr, den Anspruch auf die israelisch besetzte Westbank aufzugeben, wollte der König eine „Jordanisierung der jordanischen Politik“ einleiten. Wie sich zeigte, „jordanisierten“ sich auch die Probleme des Landes. Zu der neuen Politik gehörte die Verschärfung des Ausnahmezustandes, die sich freilich zunächst gegen die Palästinenser richtete. Lokalzeitungen wurden von der Regierung übernommen, unliebsame Herausgeber und Journalisten gefeuert. In einem Land, in dem die Presse niemals frei war, mußte sich die Bevölkerung seither vollends mit Regierungspropaganda zufrieden geben. Auch dies ging auf das Konto des Ministerpräsidenten Rifai, dessen Rücktritt die Demonstranten letzte Woche forderten. Den erbosten Jordaniern blieb kaum eine andere Möglichkeit als die der Revolte, um ihrem Unmut Gehör zu verschaffen. Daher wackelt auch nicht der Thron des Königs, sondern der Sessel des Ministerpräsidenten. Doch wenn Hussein es vorzieht, sich seines Sündenbocks und Vertrauten Rifai noch länger zu bedienen und ihn in eine neue Regierung zu berufen, verspricht die jordanische Innenpolitik endlich einmal spannend zu werden.
Beate Seel
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