Ein Rundgang über die „Art Frankfurt“

In der letzten Nacht vor der Eröffnung herrscht rege Betriebsamkeit in den vielen kleinen Gängen unter der niedrigen Decke des ersten Geschosses. In containergroßen Aufzügen werden die letzten verpackten Lasten nach oben verfrachtet, überall wird fieberhaft an Installationen gearbeitet. Uniformierte stehen lachend vor Bildern oder sitzen, Groschenhefte in den Händen, vertieft vor Notausgängen. Jeder der Durchblicke durch eine der lange Achsen zeigt auch in der Ferne hin- und herziehende Menschen.

Durch die hohe transparente Glaskonstruktion des oberen Stockwerks sieht man zu dem von Scheinwerfern angestrahlten, auch nachts höherwachsenden Messeturm herauf.

Am nächsten Abend, während der Vernissage, brechen immer wieder verschiedene Stromkreise zusammen, die Menschen steigen über stillstehende Rolltreppen, alles erscheint in wechselnder Beleuchtung. Niemand ist darüber verärgert, es wird vielmehr freudig begrüßt, denn es sind die letzten Wehen der Art Frankfurt. Alles ist hier neu: die Architektur, die Messe, die meisten ihrer Galerien und deren Künstler. 200 Aussteller mit über 1.500 Künstlern auf über 10.000 Quadratmetern, mit mehr als zwei Millionen subventioniert. Zahlen, die Kulturpolitiker mit stolzem Lächeln gern von sich geben, für den einzelnen Messebesucher vor Ort aber eine Inflation bedeuten, mit der seine Wahrnehmung irgendwie zurechtkommen muß. Dies ist kein Museum, und für einen kontemplativen Zugang zum Ausgestellten werden die sechs Tage vom 21. bis 26.April nicht ausreichen. Wie sich orientieren, denn gerade diese Messe erfordert einen speziellen Blick? Der Katalog bietet eine alphabetische Aufschlüsselung nach Ausstellern, eine nach Künstlern, einen Lageplan.

In der Liste der Aussteller fehlen gegenüber den alten Kunstmessen in Köln und Basel eine ganze Reihe wichtiger Galerien. Dafür bietet Frankfurt um so mehr jungen Galerien mit jungen Künstlern Gelegenheit aufzutreten. Die Unübersichtlichkeit, trotz klarer geometrischer Platzeinteilung, gehört zum Neuen. Anders als in Köln und Basel gibt es hier noch keine verfestigte Ordnung, die jedem Teilnehmer, seiner Stellung in der Hierarchie der Zunft entsprechend, einen Platz zuweist. Durch die Vielzahl junger Künstler fehlt diese Struktur auch im Visuellen. Viele der jungen Werke haben weder die Sehgewohnheiten auf ihrer Seite, noch das unverwechselbare Profil der klassischen Moderne. Es ist also kein Wunder, wenn diese wenigen sich vor einem teils vagen, teils noch unausgereiften Hintergrund besonders abheben. Wie etwa die farbige Klarheit Max Bills (Galerie Teufel), die in der Mitte des unteren Stockwerks das Herz der Messe ist. Doch auch dezentere Farben ziehen die Aufmerksamkeit auf sich wie Jean Fautrier (Greve, Neuendorf, Tendences), Henri Michaux (Baudoin Lebon, Lelong), Alberto Giacometti (Klewan). Da im Bereich der jungen Kunst beim ersten Auftritt noch nichts festgelegt ist, sich ein breites Spektrum entfaltet, fehlen in Frankfurt die Manifestationen von Trends, die in anderen Messen über das Angebot gegeben werden. Es fehlt auch das lokale Äquivalent zu dem, was man in Köln „Klüngel“ nennt. Zwar ging auch hier der Wunsch nach einer Messe von Galeristen aus, er wurde aber von der Stadt verwirklicht. Sich zu organisieren, haben hier bislang nur vier Galeristen zuwege gebracht (New Art Frankfurt). Das Durchsetzungsvermögen aufstrebender Galerien hängt jedoch neben der Arbeit mit Künstlern auch vom Kontakt untereinander ab. Die Wiener Galerie Grita Insam erhielt einen von der Zeitschrift 'Pan‘ mit 10.000 Mark dotierten Preis für ihre Standgestaltung. Neben einem umfangreichen Rahmenprogramm bietet die Messe in der Halle zusätzlich die Sonderschau Ohne Auftrag. Sie stellt die Geschichte einer Münchner Privatgalerie von 1910 bis heute in Nachbauten dar.

Axel Schmidt