: Einmal Recycling, bitte
■ Zur Abschaffung der Quellensteuer
Die Quellensteuer ist vom Tisch. Das Halbwerk von Gerhard Stoltenberg mit seinen zahlreichen Schlupflöchern für die Großen und die Kleinen hat im neuen Finanzminister Theo Waigel einen fixen Totengräber gefunden. Waigel hat sich damit zum Vollstrecker einer öffentlichen Meinung gemacht, die von Banken und Versicherungen heftig genährt worden war. Doch der Schnellschuß aus Bonn ist ein Ausdruck von Schwäche und damit von Unberechenbarkeit.
Der politische Preis ist hoch: Die FDP ist mit ihrer Zustimmung zur Rücknahme der Quellensteuer erneut umgefallen, nachdem sie schon bei einem anderen Reizthema, der Gewinnverrechnung bei der Daimler/MBB-Fusion, einen Rückzieher gemacht hatte. Die Abschaffung der Quellensteuer bedeutet zudem einen vollständigen Frontenwechsel bei der EG -Steuerpolitik, die sich zur Blockade der Binnenmarkt -Harmonisierung auswachsen dürfte - die „guten Europäer“ aus Bonn sind schlagartig zum Handelshemmnis allererster Güte geworden. Und in der Sache ändert sich überhaupt nichts; im Gegenteil. Die Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung, die durch die Quellensteuerdiskussion erst richtig bekannt wurden, sind besser denn je.
Finanziell ist der Preis nicht so hoch - eine enorme Kapitalflucht ins Ausland sorgte dafür, daß die Einnahme -Prognosen ständig nach unten revidiert werden mußten. Auf der anderen Seite führten höhere Bundesbank-Gewinne und Steuer-Mehreinnahmen dazu, daß die Bundesregierung auf die Einnahmequelle Quellensteuer getrost verzichten kann - wenn sie auch auf Dauer nicht darauf zu verzichten braucht. Wiedereingeführt wird die Quellensteuer irgendwann nach den Bundestagswahlen 1990 und vor der Vollendung des Binnenmarktes - entweder von der CDU oder der SPD. Die EG macht's nötig.
Fragt sich nun, welches Vorhaben die Koalition als nächstes begräbt. Ebenso, wie die Diskussion um die Versteuerung der Zinseinkünfte wieder beim Stand von 1987 angekommen ist, eignet sich die Airbus-Subventionierung und damit die Daimler/MBB-Fusion zum Problem-Recycling. Daß öffentlicher Druck vorhanden und der Bundeswirtschaftsminister FDP -Mitglied ist, erleichtert die Sache nur. Und auch Altfinanzminister Stoltenberg darf dabei sein. Er muß sich in seinem neuen Hardthöhen-Job Gedanken um den Wörner -Nachlaß Jäger-90 machen. Es darf bezweifelt werden, ob in Bonn oder Brüssel, in Frankfurt und Stuttgart irgend jemand weiß, was als nächstes kippt.
Dietmar Bartz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen