Kamikaze, auch in der Politik

Japans eifriger Spendensammler Norobu Takeshita nimmt seinen Hut wg. Recruit  ■ P O R T R A I T

Tokio, Berlin (dpa/taz) - Nach einem selbst für japanische Verhältnisse beispiellosen Kursverfall in der Wählergunst erzwang die Führung der Liberal-Demokratischen Partei LDP gestern den Rücktritt von Ministerpräsident Noboru Takeshita. Bei seinem Amtsantritt vor knapp 18 Monaten unterstützten ihn nach einer Umfrage der Agentur Kyodo immerhin 58,6 Prozent der Wähler. Im Januar dieses Jahres waren es nur noch 33,4, im März 12,6 und im April noch 3,9 Prozent. Am Wochenende war bekanntgeworden, daß Takeshita vom Multikonzern Recruit, der ihm über Insider-Geschäfte und Spenden bereits Geld hatte zukommen lassen, auch noch ein hohes „Darlehen“ erhalten hatte. Insgesamt flossen damit 200 Mio. Yen (rund 2,85 Mio. DM) in Takeshitas Wahlkampftopf.

Der ehemalige Finanzminister galt bereits vor seinem Amtsantritt als begabter Spendensammler. Unvergessen bis heute die Party, die er 1987 in einem der größten Luxushotels von Tokio für „Freunde und Förderer“ gab. Bei horrenden Eintrittspreisen beliefen sich die Einnahmen auf zwei Milliarden Yen, etwa doppelt soviel, wie Konkurrenten bis dahin bei ähnlichen Anlässen locker machen konnten.

Takeshita stammt aus bescheidenen Verhältnissen: Am 26.März 1924 wurde er als Sohn eines Sake-Bauern in einem kleinen Bergdorf geboren. Dennoch konnte er sich an Tokios renommierter Wasede-Universität einschreiben. Als 20jähriger wurde er eingezogen und zum Kamikaze-Piloten ausgebildet. Er überlebte und schloß nach dem Krieg sein Studium ab. Seine Berufskarriere begann er als Englischlehrer. Ein reicher Landbesitzer und ehemaliger Gouverneur seiner Heimatprovinz Shimane finanzierte seine Laufbahn, so daß er mit 34 Jahren zum ersten Mal ins Parlament einzog. Als Verdienst rechnet ihm seine Partei die Steuerreform an, die länger als ein Jahrzehnt umstritten war und schließlich am 1.April dieses Jahres in Kraft gesetzt wurde. Die darin enthaltene dreiprozentige Mehrwertsteuer erbitterte indes die japanischen Konsumenten, die ihm nicht nachtrauern.

sl