: KA-POW! POW! POW! POW!
■ „Comic Book Confidental“ im Sputnik Wedding
Daß Comix-Lektüre traumatische Gehirnschäden hervorruft, ist nie bewiesen worden, aber gefährlich sind sie doch, was im „Comic Book Confidental“ durch einen Aufklärungsfilm aus den fünfziger Jahren über Comix nachdrücklich vor Augen geführt wird: Jungen schmökern am Lagerfeuer in bunten Schundheften und dann, dramaturgisch schlüssig, gehen sie plötzlich mit Steinen und Messern aufeinander los, so daß einem wirklich Angst und Bange wird.
In Ron Manns filmischer Chronik dieses amerikanischsten aller amerikanischen Massenmedien sind es auch die Comiczeichner aus den vierziger und fünfziger Jahren, denen der Ruf gewissenloser Kinderschänder anhaftete, die das interessanteste Zeug über sich und ihre Arbeit zu erzählen haben. Damals hagelte es ein Gerichtsverfahren nach dem anderen, und sie standen auf fast verlorenem Posten gegenüber einer auf Moral und Sauberkeit gedrillten Bürokratie, die eifrig geifernd zensierte, um ihr Disneyland vor dem Untergang zu bewahren.
Als anarchistische Veteranen sitzen sie nun da und schmunzeln erstaunt in ihre Bärte, daß plötzlich all die jahrelangen Selbstzweifel richtig sind und ihre Strips unverhofft als Kunst abgefeiert werden, für die man auch schon einige Dollars hinlegen muß, wenn man sich nicht mit Nachdrucken begnügen will. Sie wirken im Kopf auch noch wesentlich frischer als die perma-bedröhnte Comickommune um Robert Crumb, der einen wirklich verblödeten Eindruck macht, ähnlich der ausgesuchten Dämlichkeit von Freak-Brothers, und es würde mich auch nicht weiter wundern, wenn Crumb seinen Kater immer noch Fritz nennt. Als Klolektüre für Kifferköpfe bleiben diese Comix natürlich von uneingeschränktem Wert.
Die eigentliche Zukunft des Comic ist aber eher so radikalen Magazinen wie 'RAW‘ zu wünschen, die in ihrem zeichnerischen Selbstverständnis ein „Graphic Aspirin For War Fever“ propagieren und denen es als Sammelbecken unorthodoxer Comiczeichner daran gelegen ist, Realität in vielfältiger Comicform böse, zynisch und provokant aufzumischen, was auch die Aufhebung des Comicstrip als durch Bilder erzählte Handlung bedeutet. Comix über Folter in südafrikanishen Gefängnissen oder das gerade hoch im Bildungsbürgerfeuilletonkurs gehandelte „Maus„-Mauschwitz von Art Spiegelman, dem 'RAW'-Herausgeber, wären wohl vor zehn Jahren so nicht vorstellbar gewesen.
„Cmic Book Confidental“ ist ein gewagter Versuchg, sich an einer Unmöglichkeit zu vergreifen, an der Aufarbeitung eines seit fast hundert Jahren existierenden Mediums, dessen (Kultur-)Geschichte verschmäht und verschüttet ist. In der Konzentration auf die wichtigsten Figuren und Zeichner der amerikanischen Comicgeschichte ist Ron Mann dieses Unterfangen gelungen, und man kriegt auch einen Eindruck davon wie, warum und unter welchen politischen und kulturellen Umständen Comix in den USA ge- und mißhandelt wurden und werden. Was als Haken bleibt, ist, daß die vielen Statements und das bunte Treiben auf der Leinwand für den noch unbedarften Normalcomicverbraucher und neugierig Interessierten wie ein Schnellexpress dahinsausen. Aber wer sich in die Materie vertiefen will, muß halt einfach mal im nächsten Comicladen rumschnüffeln,. Und keine Sorge, Comixbände geben inzwischen auch schon im Bücherregal einiges her.
Begleitend zum „Comic Book Confidental“ läuft bis Mitte Mai im Sputnik Wedding eine ausgedehnte Reihe mit „Comic„ -Filmen. Da muß der Kulturmuffel den Atem anhalten, wenn Batman in Aktion tritt, Dick Tracy sein Zwei-Kanal -Armbanduhr-Funkgerät mit Atombatterie in Betrieb nimmt und Supergirl gegen die surrealen Special Effects der achtziger Jahre zu kämpfen hat. Eine ausführliche „Schmutz- und Schund„-Berichterstattung darüber wird auf den 'La Vie' -Tagesprogrammseiten erfolgen.
DOA
„Comic Book Confidental“, OmU, ab heute täglich um 21.30 Uhr im Sputnik Wedding.
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