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Wie im Slapstick

■ Zwei Insassen aus Tegel vom Vorwurf der schweren Gefangenenmeuterei freigesprochen

Wer die vier Gefangenen waren, die am 12.September 1987 versucht hatten, mit einer selbstgebastelten Leiter aus dem Tegeler Knast auszubrechen, bleibt ein Geheimnis: Nachdem die Beweismittel der Staatsanwaltschaft ohnehin nur dazu ausgereicht hatten, zwei von ehemals vier Tatverdächtigen vor den Kadi zu bringen, endete auch dieser Prozeß gestern mit einem Freispruch. Der Vorsitzende Richter Hüller bedauerte in der Urteilsbegründung zwar, daß es nicht gelungen sei, den „außerordentlich dreisten“ und „von langer Hand geplanten“ Ausbruchversuch aufzuklären, tröstete sich dann aber damit, daß es sich ja mehr um eine „Slapstick -Komödie“ gehandelt habe und nichts Schlimmes passiert sei. Der Slapstick, der die Angeklagten Christian J. ( 33) und Wolfgang T. (42) bis gestern unter starken Sicherheitsvorkehrungen wie Schwerstverbrecher vor Gericht gebracht hatte, hatte sich wie folgt abgespielt: Vier Gefangene verlassen das Langstrafer Haus III Tegel. Einer hat sich mit Dienstmütze und grauem Arbeitskittel als Werkstattmeister verkleidet, die drei übrigen machen auf Arbeitskolonne. Offenbar sehr überzeugend, denn das etwas faul ist, fällt dem Beamten W. auf Turm Nummer 13 erst auf, als der vermeintliche Arbeitsmeister vergebens versucht, mit seinem Schlüssel ein Gartentor aufzuschließen. Die vier behelfen sich kurzerhand, indem sie das Tor überklettern und eine mitgeführte Steckleiter durch die Stäbe des Zauns schieben. Anschließend stürmen sie zur Mauer unter dem Wachturm 13. Einer von ihnen bedroht den Beamten W. von unten mit einer Pistole, während ihm ein anderer aus einer an einer Stange befestigten Dose Tränengas ins geöffnete Fenster sprüht. Dann passiert, womit keiner gerechnete hat: Die kunstvoll zusammengeschweißte Leiter bricht beim ersten Tritt ein. Den vieren bleibt nichts anderes übrig, als kehrtzumachen und ungesehen im Haus III zu verschwinden.

Christian J.s Freispruch war keine Überraschung, weil es gegen ihn keine stichhaltigen Beweise gab. Nicht so der von Wolfgang T., weil er von dem Beamten W. - wenngleich sehr zögerlich - als der Gefangene mit der Pistole wiedererkannt worden war. Die große Wende trat ein, als W. gestern aufgrund eines Hilfsbeweisantrags erneut in den Zeugenstand gerufen wurde: W. waren inzwischen Zweifel gekommen.

plu

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