: AL: Nicht anpassen, trotzdem regieren
■ Diepgen wirft Momper in der Aussprache zur Regierungserklärung vor, die Brüder und Schwestern im Osten vergessen zu haben
Die Alternative Liste will auch in ihrer neuen Rolle als Regierungspartei an ihren politischen Zielen festhalten und sich nicht einfach den bestehenden Verhältnissen der Gesellschaft anpassen. Das behauptete jedenfalls der AL -Abgeordnete Bernd Köppl gestern während der Aussprache zur Regierungserklärung von Walter Momper, die der Regierende Bürgermeister vor zwei Wochen abgegeben hatte. Die AL -Fraktion werde auch weiterhin gesellschaftliche Mißstände anprangern und „unsere eigene Regierung scharf kritisieren, wenn sie nicht das maximal Mögliche für eine ökologische und soziale Stadtpolitik unternimmt“, meinte er weiter.
Gleichzeitig lobte er die Regierungserklärung Walter Mompers, der ein „überzeugendes Regierungsprogramm für eine ganze Legislaturperiode vorgelegt“ habe. In einigen Fragen der Wirtschaftspolitik gäbe es aber auch „schwere inhaltliche Differenzen“ zwischen AL und SPD. Dies sei zum Beispiel in der Frage der Berlinförderung der Fall.
Der Berliner CDU-Fraktionsvorsitzende Eberhard Diepgen hat dem neuen rot-grünen Senat vorgeworfen, seine Arbeit mit einem „Wortbruch“ begonnen zu haben. Mompers Amtsvorgänger kritisierte, daß Momper als erster Regierender Bürgermeister kein Wort übrig gehabt habe für die Menschen in Ost-Berlin. Sowohl in der Regierungserklärung als auch in den Koalitionsvereinbarungen fehle das Bekenntnis zur Einheit und Selbstbestimmung der Deutschen. Ferner solle Ost-Berlin als Hauptstadt der DDR „förmlich anerkannt“ werden. Die Logik dieser Gedanken mache West-Berlin zu einem „dritten deutschen Staat zwischen West und Ost“. Als ein „Märchenbuch“ bezeichnete Diepgen die Finanzpolitik des Senats, der die Schulden fast verdoppele und bis 1992 ein Haushaltsloch von 4,5 Milliarden Mark entstehen lasse. Das sei „verantwortungslos“. Die neue SPD/AL-Regierungskoalition wolle „tatsächlich eine andere Gesellschaft“ als die CDU, erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt. Der frühere Senat habe in den vergangenen acht Jahren bewußt vielfältige gesellschaftliche und soziale Probleme vernachlässigt, die jetzt solide aufgearbeitet werden müßten. In den kommenden vier Jahren wird nach den Worten Staffelts für die Sozialdemokraten die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik „oberste Priorität“ besitzen.
Staffelt sagte, die SPD/AL-Koalition werde jedenfalls alle erdenklichen Anstrengungen unternehmen, um die Wohnungsnot in der Stadt entschieden zu bekämpfen. Dabei wisse sie jedoch, daß der vorgesehene Neubau von 7.000 Wohnungen pro Jahr das Problem nicht kurzfristig lösen könne. Es würden jedoch alle denkbaren Maßnahmen ergriffen werden, um der Nachfrage nach Wohnungen gerecht zu werden. Dazu gehöre auch ein konsequentes Einschreiten gegen spekulativen Wohnungsleerstand, eine Verschärfung der Verordnung gegen Zweckentfremdung und eine Erleichterung des Wohnnungstauschs. Bei Redaktionsschluß dauerte die Debatte noch an.
dpa/taz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen