: Gorleben als Atomklo Europas?
Frankreichs Atommüll im Salzstock Lüchow-Dannenbergs als neue Dimension atomarer Zusammenarbeit / Töpfer-Ministerium bestätigt: Gesamter Brennstoff-Kreislauf ist Gegenstand der Verhandlungen ■ Von Manfred Kriener
Berlin (taz) - Tausche Wackersdorf gegen La Hague. Biete Gorleben. Der Import französischen Atommülls nach Gorleben könnte tatsächlich Teil der neuen atomaren Zusamenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Frankreich werden.
Das Bundesumweltministerium bestätigte gestern, daß auch die Endlagerung in die Überlegungen der neugebildeten Verhandlungskommission einbezogen ist. „Ob es tatsächlich soweit kommt, daß Gorleben für die Franzosen offen ist, kann ich nicht sagen, aber in die Verhandlungen ist der gesamte Brennstoffkreislauf einbezogen“, sagte Töpfers Sprecherin Marlene Mühe gestern zur taz. Die Verhandlungskommission soll innerhalb von zwei Monaten zu konkreten Vereinbarungen kommen, vor allem zur Frage der Wiederaufarbeitung deutscher Brennstäbe in La Hague.
Auch Umweltminister Töpfer hatte in der „Brennpunkt„ -Sendung der ARD am Mittwochabend die Überlegungen zur Öffnung Gorlebens für französi schen Atommüll nicht dementiert, sondern schweigend offenge lassen.
Der FDP-Obmann im Wirtschaftsausschuß des Bundestages, Josef Grünbeck, skizzierte im Gespräch mit unserer Zeitung die Vision eines „integrierten europäischen Entsorgungskonzeptes“. Eine internationale Zusammengearbeit liege bei solch wichtigen Fragen auf der Hand. Auch dies gehöre zur Idee eines künftigen Europas. Hier müßten neue Wege gegangen werden.
Grünbeck wies auf die Entsorgungsprobleme der Franzosen hin, die selbst über keine Salzstöcke verfügen. Auf der anderen Seite würden seit 15 Jahren deutsche Abfälle aus der Wiederaufarbeitung in Cap La Hague unter „abenteuerlichen Bedingungen“ gelagert. Ob im Gegenzug zur bundesdeutschen Wiederaufarbeitung in La Hague bestimmte Mengen französischen Atommülls nach Gorleben komme, darüber müsse jetzt verhandelt werden. „Die Franzosen werden mit dieser Anregung kommen“, sagte Grünbeck voraus.
Zur Frage der politischen Durchsetzbarkeit einer „Öffnung“ Gorlebens verwies Grünbeck auf die ohnehin bestehenden Akzeptanzprobleme. Diesen schwierigen Fragen müsse man sich natürlich stellen, meinte der Abgeordnete.
„Wir werden uns gegen diese Pläne vehement zur Wehr setzen“, reagierte der Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow -Dannenberg, Wolfgang Ehmke. Es sei zu befürchten, daß in einem Geschäft auf Gegenseitigkeit versucht werde, Gorleben als Atommüllkippe Europas einzurichten. Dann werde alles, was bisher schon an Zumutungen für die Region geplant war, „noch weit übertroffen“, sagte Ehmke.
Veba-Sprecher Heinrich Wilckens blieb gestern zurückhaltend. Der Vorschlag, daß Frankreich in Gorleben entsorge, komme nicht von der Veba. In dieser hochpolitischen Angelegenheit gelte jetzt das Primat der Politik. „Wir müssen warten was bei den Verhandlungen rauskommt“.
Die SPD kündigte gestern „entschiedenen Widerstand“ gegen die Pläne an Atommüll aus dem Ausland, „von welchem Land auch immer“ in Gorleben endzulagern. „Wir wollen keinen neuen nuklearen Müll-Tourismus“, sagte der Entsorgungsfachmann der Partei, Dietmar Schütz.%%
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen