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We're lucky - we're established

■ Das Jazz-Musikerehepaar Thompson-Hiseman im Gespräch nach einer dreistündigen Verabreichung wohldosierter Harmonie / Gelassene Freundlichkeit auf der Bühne und danach

Fast drei Stunden standen sie auf der Bühne des Modernsten, um dann gegen Mitternacht mit müden Augen im Garderobenraum trotzdem freundlich und aufgeräumt höfliche Konversation zu betreiben. Barbara Thompson und Ehemann Jon Hiseman hatten zusammen mit den übrigen drei Mitgliedern der Formation Paraphernalia einen anstrengenden Arbeitstag hinter sich. Also galt der neuen Tina-Turner-Haarpracht der Saxophonistin die erste Frage, als Warming Up allemal wirksam. Nein, das hat überhaupt nichts besonderes zu bedeuten, antwortet sie leicht irritiert, pure Langeweile über ihr früheres Aussehen hat sie zu den Strubbellocken getrieben, unter denen sie hervorlugt. „Next time it's going to be short hair“.

Also gar nichts Neues im Leben der Mrs. Thompson? Aber si

cher. Drei neue Musiker habe sie doch vorgestellt, ist das denn nichts? Doch, doch, keine Frage, wir wollen schließlich nicht die Gesprächsharmonie in Frage stellen. Aber zumindest problematisch muß es sein, wenn Frau und Mann die ganze Zeit beieinander sind und überdies auch noch bis zu den Knien in künstlerischer Arbeit stecken? Da hat Barbara keine Bedenken. Sie sei in Dingen, die Jon nicht so gut beherrsche, ein ausgleichender Faktor, und umgekehrt sei es genauso. „Jon ist immerhin mein Manager. Als Drummer ist er sowieso ein guter Organisator. Schau nur, wie komplex er sein Instrument behandelt. Das geht nicht ohne einen brillianten Überblick. Brilliant hat sie gesagt.

Spielbälle sollten unbedingt aufgefangen werden. Also Jon, sind deine Soli immer gleich?

„Ganz und gar nicht“, hebt er an, „die Akustik ist ganz wichtig, und rollen muß es.“ Doch schon ist Mrs. Thompson wieder Chefin im Gesprächsring. Ein langgezogenes naja und die analytische Aufarbeitung des ersten und zweiten Teiles der Schlagzeugperformance beenden allzu lange Ausführungen des Ehemannes. „Aber“, sinniert sie bruchlos weiter, „viel wichtiger ist unser ernsthafter Umgang miteinander. Wir brauchen die gegenseitige Unterstützung. Und die des Publikums.“

Als Jon sich wieder den Häppchen zuwendet, erweist sich Barbara als sprudelnder Quell nächtlicher Eloquenz. Ein letztes verbales Aufbäumen, bis die Federn eines Vorort -Hotelbettes den Redefluß dämmen werden. Sicher, die beiden Kinder seien häufig ohne die Eltern. „Wenn wir nicht da sind, sind wir nicht da. Aber wenn wir da sind, sind wir richtig da“, so der Originalton der Engländerin.

Tochter Anne sei eine glühende Verehrerin der Paraphernalia und der Sohn spielt mit seiner Schulband auf geliehenen Instrumenten der Gruppe. So langsam ist die gelassene Zufriedenheit nicht mehr zu ertragen. Der schottische Gitarrist nickt beifällig und Barbara antwortet selbst auf Zynismen mit unschuldiger Ehrlichkeit. „Wir sind froh, nicht einem Trend entsprechen zu müssen. Wir sind nicht altmodisch und immer wieder anders.“ Ihre Ideen kommen ihr um fünf Uhr morgens, nach dem Schlafen, wie sie betont. Da sei es am ruhigsten.

Mensch Barbara, ist denn da überhaupt kein Haar in der Suppe? Wie wär's mit Margaret Thatchers Kulturpolitik? Volltreffer. Klaustrophobisch ist alles, was sich da abspielt. Unglaublich, diese Kürzungen im

künstlerischen Bereich. Die Armen werden immer ärmer und kreative Projekte verschwinden von der britischen Bildfläche, entfährt es ihr beinahe entsetzt. Sie selber seien weniger betroffen, „we're established“. Aber den unbekannten KünstlerInnen ginge es wahrhaft dreckig.

Jetzt darf Malcolm McFarlane mit seinem starken Edinburgh -Akzent weiterreden. Wir hätten noch Stunden reden können. Im Hinausgehen ein lächelndes Frauengesicht in der Tür. „Danke Jürgen, bis zum nächsten Mal.“ Klar doch, Barbara. Jürgen Franck

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