: Kein Job für Wehrdienstverweigerer
■ Geheimer Vorstandsbeschluß bei MBB: In der größten Rüstungsschmiede der Bundesrepublik wurden Bewerbungen von Zivildienstleistenden seit 1987 aussortiert / Betriebsräte drängen auf Chancengleichheit
Stellenbewerber, die bei der Bremer Filiale des größten bundesdeutschen Rüstungsunternehmens, Messerschmit-Bölkow -Blohm, Arbeit suchen, finden in den Bewerbungsunterlagen auch die Rubrik „Wehrdienst oder Zivildienst“. Wer sein Kreuzchen ins zivile Kästchen malt, kann sich das weitere Ausfüllen des Bogens gleich sparen. Seine Bewerbung wird nach kurzer Anstandsfrist, versehen mit einer Höflichkeitsfloskel, zurückkommen. Die Regelung, nach der keiner der 40.000 MBB-Mitarbeiter im Bundesgebiet den Wehrdienst verweigert haben darf, gilt spätestens seit dem 1. April 1987. In einem Beschluß mit der Aufschrift „Vertraulich - nur firmenintern benutzen“ verfügte die MBB -Leitung damals: „Abzulehnen sind Bewerber, die einen Antrag auf Anerkennung als Zivildienstleistender gestellt haben oder anerkannte Wehrdienstverweigerer sind“.
Am 9. März 89 erfuhr die Be
legschaft der Bremer MBB-Tochter ERNO erstmals, was MBB -Betriebsräte schon lange geahnt hatten. Auf einer Betriebsversammlung bestätigte MBB-Chef Hans-Arnt Vogel die Job-Verweigerung für Wehrdienstverweigerer, machte aber gleichzeitig die Bundesregierung für die entsprechenden „Auflagen und Bestimmungen“ verantwortlich.
Mit einem Rundschreiben versuchte die MBB-Werksleitung Ende März die leitenden Mitarbeiter bei der Stange zu halten. Wer den Wehrdienst verweigere und sich dann bei MBB bewerbe, handele inkonsequent, stellt der Vorstand darin fest. Wer bei MBB arbeite, müsse auch bereit sein, Rüstungsgüter zu produzieren, weil militärische Aufträge mitunter zivilen Abteilungen übertragen würden. Das Unternehmen respektiere schließlich den Entschluß jedes jungen Menschen für den Zivildienst. Desmüsse der Zivildienstlei stende umgekehrt auch die MBB
Entscheidung über seine Bewerbung „respektieren und akzeptieren“, meinten die MBB-Chefs spitzbübisch.
Zumindest Bremer Zivis halten wenig von dieser Umkehr -Logik. Peter Kupka von der „Vereinigung der Kriegsdienstgegner“: „MBB bricht die Verfassung, in der das Grundrcht auf Kriegsdienstverweigerung garantiert ist.“ Durch die MBB-Regelung werde jeder, der von seinem Grundrecht Gebrauch mache, de facto mit einem „Berufsverbot“ bestraft. Auch für den Bremer Jura-Professor und Arbeitsrecht-Experten, Wolfgang Däubler, gilt: Soldaten dürfen im Arbeitsleben nicht benachteiligt werden. Und: Was für Wehr
pflichtige gilt, das gilt auch für Zivildienstleistende.
„Wehrwillen“ und „Bekenntnisse zu Vaterlandsverteidigung und Bundeswehr“ hält auch der Bremer MBB -Betriebsratsvorsitzende Ludwig Ladewig für verfassungsrechtlich bedenkliche und nach Betriebsverfassungsgesetz schlicht unzulässige Einstellungskriterien: Da die MBB-Vorstandsetage den Zivi -Ausschluß einseitig verfügt und klammheimlich praktiziert habe, seien die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats kurzerhand unterlaufen worden. Auf ein entsprechendes Protestschreiben an die Werksleitung antwortete MBB -Arbeitsdirektor Komann am 16. April mit einer sybillinischen
Kompromißformel: „Aus gegebenem Anlaß“ habe sich die Geschäftsführung erneut mit der Beschäftigung von Zivildienstleistenden befaßt und sei zu folgendem Ergebnis gekommen: Künftig sollen Bewerbungen Zivildienstleistender „ebenso sorgfältig geprüft und bearbeitet werden wie die eines jeden anderen Bewerbers“.
Ob das heißt, daß sich ab sofort auch Zivis Chancen auf einen Job bei MBB ausrechnen dürfen, oder ob - nach „sorgfältiger Prüfung und Bearbeitung“ - weiterhin abgelehnt wird, will der Betriebsrat aufmerksam verfolgen. MBB -Betriebsrat Uwe Neuhaus: „Wir werden die neue Richtlinie an den Taten messen.“
mw, K.S.
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