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Milde Urteile im Heysel-Prozeß

■ Vierzehn britische Fußballfans, Fußballfunktionär und Gendarmerieoffizier zum Teil zu Bewährungsstrafen verurteilt

Brüssel (afp) - Im belgischen Heysel-Prozeß um die blutigen Ereignisse beim Europapokalendspiel Turin gegen Liverpool vor vier Jahren sind am Freitag 14 britische Fußballrowdies zu drei Jahren Gefängnis, zum Teil mit Bewährung, verurteilt worden. Der Organisator des Fußballspiels, der ehemalige Generalsekretär des belgischen Fußballverbandes, wurde zu sechs Monate mit Bewährung verurteilt. Ein Offizier der Gendarmerie, der für die Sicherheit im Stadion verantwortlich war, erhielt eine neunmonatige Haftstrafe mit Bewährung. Elf „Hooligans“ aus Liverpool wurden freigesprochen.

Am Abend des 29. Mai 1985 war es in dem Stadion zu einer Panik gekommen, als britische auf italienische Fußballfans losgingen. 39 Menschen starben dabei, 600 wurden verletzt.

Die über dreistündige Urteilsbegründung, der nur 15 von den angeklagten Briten zuhörten, beruft sich vor allem auf die neben Zeugenaussagen vorliegenden Videoaufnahmen. Darin sei erwiesen, daß die Schuldigen durch ihr „aggressives Verhalten“ einen „Dominoeffekt“ in der von Panik ergriffenen Menschenmasse ausgelöst hätten.

Der 72jährige ehemalige Chef des belgischen Fußballverbandes, Albert Roosens, hat sich dem Richter zufolge „bedauerliche Nachlässigkeit mit dramatischen Folgen“ zuschulden kommen lassen. Mangelnde Kontrollen der Eintrittskarten hätten dazu geführt, daß die italienischen Fans auf eine Tribüne neben den britischen Rängen gelassen wurden. Mit scharfen Worten wurde auch Kapitän Johan Mahieu bedacht, dem am Abend des Dramas die Sicherheitskräfte im Heysel-Stadion unterstellt waren. Der Richter warf dem Angeklagten, der niemals zuvor ein Fußballstadion betreten hatte, vor allem „mangelnde Initiative“, seine „seltsame Passivität“ und „schwere Fehler in der Beurteilung der Ereignisse“ vor.

Selbst ohne Bewährung dürfte die Mehrzahl der Schuldigen nach spätestens anderthalb Jahren wieder auf freiem Fuß sein, weil die in Untersuchungshaft abgesessene Strafe im Strafmaß angerechnet wird. Kommentar auf Seite 4

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