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Halbmast in Schweden

Eishockey-WM: UdSSR gewinnt, Schweden ohne Medaille, BRD steigt nicht ab  ■  Aus Stockholm Herbert Neuwirth

Zwei große Verlierer sah die Eishockey-WM 1989 in Stockholm. Das gastgebende Drei-Kronen-Team mußte seine Krone an den neuen Weltmeister UdSSR abgeben und ging sogar leer aus beim Kampf um Medaillen. Die Flaggen stehen auf Halbmast im schwedischen Eishockey, hatten die Gastgeber doch vom erneuten Titel geträumt.

Von schönem Spiel war beim zweiten Verlierer schon gar keine Spur zu sehen, zumindest nicht mehr nach den ersten drei Spielen der Vorrunde: Die bundesdeutsche Mannschaft enttäuschte auf ganzer Linie. Hegen und Co. ließen sich von der langatmigen Vorrunde einlullen, erst im letzten Spiel retteten sich die Mannen um Xaver Unsinn dann doch noch vor dem drohenden Los der B-Weltmeisterschaft: Das 2:0 gegen den Neuling Polen reichte, in letzter Stunde der Strafe für peinlichen Leistungen zu entgehen.

Schon vorher mußte sich Xaver Unsinn Fragen zu seinem Rücktritt gefallen lassen. Und nachdem der Klassenerhalt geschafft war, antwortete er darauf: „Ich möchte jetzt erstmal nach Hause, Abstand gewinnen und mich mit Bekannten und Vereinen besprechen, bevor ich eine Entscheidung treffe.“

Ursache für das bundesdeutsche Fiasko war für ihn die Niederlage im ersten Match gegen Polen. „Das hat wie ein Stein auf der Mannschaft gelastet. Und gegen Finnland und die USA haben wir so unter Druck gestanden, daß wir enorme Probleme hatten, Tore reinzukriegen.“ Doch wegen Unsinns unsicherer Zukunft ist die WM 1989 fürs deutsche Team noch nicht zu Ende.

Enttäuschung zeigten die Verlierer der Finalrunde: „Genau wie beim Kanada-Spiel hat uns das Glück gefehlt“, stöhnte Schwedens Jonas Bergquist nach der Niederlage gegen die CSSR. Der Titelverteidiger ohne Medaille - selbst die Pessimisten im Gastgeberland wurden da erschreckt. Dabei lieferte das Drei-Kronen-Team schönes, sehenswertes Spiel. Es spielte druckvoll, technisch hochklassig und extrem torgefährlich, brachte nur den Puck nicht über die Torlinie.

Da half auch ein listiger Schachzug im Spiel gegen die CSSR nichts: Als die tschechischen Spieler nur zu viert auf dem Eis waren, reklamierten die Schweden einen zu breiten Schläger bei Ruzicka. Für 1,5 Zentimeter zuviel mußte der Tscheche zwei Minuten auf der Strafbank abbüßen. Der Regelverstoß war den Schweden schon vorher bekannt und sollte genutzt werden, sobald man gegen die CSSR in Schwierigkeiten käme. Doch auch ein so geschaffenes Überzahlspiel nutzen die Schweden nicht, um den Puck ins gegnerische Netz zu schleudern.

Die sowjetische Mannschaft hat in Stockholm Revanche genommen für Wien 1987. Nicht mit der erwarteten Souveränität, aber in der Finalrunde spielten sie genau dann Traumeishockey, als es gefordert war. Am meisten freut sich über dieses Gold wohl Trainer Viktor Tichonow. Mit glänzenden Augen und strahlender Miene erklärte er nach dem 5:3-Sieg gegen Kanada: „Das war bisher meine schwerste WM.“ Auf die Frage nach seinem Befinden antwortete er nur durch das Hochziehen der Mundwinkel bis zu den Ohren. Die Zukunftspläne des 57jährigen Erfolgstrainers zeigen in Richtung Schweiz, auch wenn der wegen seines autoritären Stils Umstrittene nicht vor hat, „als Nationaltrainer aufzuhören.“

Die eigentliche Überraschung des Turniers in Stockholm war das kanadische Team: Die Spieler von Dave King machten ihren Trainer zwar nicht mit „Gold“ zum König der WM (die Entscheidung um die anderen Medaillen fiel nach Redaktionsschluß), doch sie zeigten sich von ihrer besten Seite. Auch in schwierigen Lagen zeigten sie unerwartete Disziplin und forderten alles vom neuen Weltmeister UdSSR auf dem Weg zum Titel. Sie waren hauptverantwortlich dafür, daß bei dieser WM der Abstand zwischen den „großen Vier“ eng wurde. Kanada sorgte für frischen Wind und Spannung im Turnier.

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