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Gezielter Schuß auf den Apartheid-Gegner David Webster

Der weiße Südafrikaner setzte sich für politische Gefangene ein / Wurde er Opfer von rechtsradikalen Killertrupps? / Morde an Aktivisten nehmen zu  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Häufig habe ich den Anti-Apartheid-Aktivisten David Webster und seine Freundin Maggie Friedman im Rhodes Park beim Spaziergang getroffen und mit ihnen über Politik geplaudert oder Klatsch aus der Nachbarschaft ausgetauscht. Von einem solchen Ausflug kamen David und Maggie am Montag früh zurück. Auf dem Rückweg hatten sie noch Pflanzen für den Garten gekauft. Als David die hintere Klappe seines Pick-up öffnete, um die Hunde herauszulassen, jagte ein weißes Auto mit verdunkelten Fenstern vorbei. Ein einziger Schuß fiel. Im Rücken getroffen, brach David zusammen. „Ich bin mit einem Schrotgewehr angeschossen worden. Ruf‘ einen Krankenwagen“, rief er noch Maggie zu. Dann starb er.

Augenzeugen gab es neben Maggie Friedman offenbar keine. „Ich hab den Schuß gehört und bin auf die Straße gerannt“, sagt der 13jährige Junge von nebenan. „Da lag der Typ auf der Straße. Im Rücken hatte er nur eine kleine Wunde, aber in der Brust war ein großes Loch, das stark blutete.“ Tatsächlich war es kein Schuß aus einem Schrotgewehr, sondern eine Kugel schweren Kalibers, die David Webster tötete.

Wahrscheinlich handelte es sich sogar um ein Dudumgeschoß eine vergleichsweise weiche Kugel, die beim Aufprall auf den Körper in zahlreiche Splitter zerplatzt und eine großflächige, häßliche Wunde aufreißt. So stellten die Attentäter kaltblütig sicher, daß der Einzelschuß mit Sicherheit tödlich sein würde.

Dr. David Webster (44), Dozent der Sozialanthropologie an der Johannesburger Witwatersrand Universität, war vor allem für seine Arbeit mit politischen Häftlingen in Südafrika bekannt, die ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden. Er war führendes Mitglied des „Unterstützungskomitees für die Eltern von Häftlingen“ (DPSC), das im vergangenen Jahr von der Regierung praktisch verboten wurde. Auch bei der Unterstützung des Hungerstreiks von politischen Gefangenen im Februar spielte Webster eine wichtige Rolle.

„Er war ein Mann voller Mitgefühl“, sagt Max Coleman, DPSC -Mitbegründer und Mitglied der südafrikanischen Menschenrechtskommission. „In den letzten Jahren hat er sich sehr mit der sogenannten informellen Repression, mit rechten Schlägertrupps und Todesschwadronen beschäftigt“, fügt Coleman hinzu. „Jetzt ist er selbst Opfer dieser dunklen Gestalten geworden.“

Webster war auch Mitbegründer des „Forums der fünf Freiheiten“, einer oppositionellen Organisation, die sich vor allem an Weiße richtet. Doch er war ein eher zurückhaltender Aktivist, der nie mit erhobener Faust aufpeitschende Reden hielt. Warum gerade er Ziel eines Attentats wurde, bleibt vorerst vollkommen unklar.

Die Polizei hat inzwischen eine Belohnung von umgerechnet rund 7.000 Mark für Hinweise ausgesetzt, die zur Überführung der Mörder führen. Die Regierung verurteile diesen Mord aufs Schärfste, erklärte Adriaan Vlok, Minister für Recht und Ordnung. Die Polizei werde ihr äußerstes tun, um die Täter zu finden. Doch die Chancen sind gering. Dutzende von südafrikanischen Aktivisten sind in den vergangenen Jahren unter anderem von rechten Schlägertrupps ermordet worden, doch bisher wurde kein einziger Täter ausfindig gemacht.

Webster ist der zweite weiße Aktivist, der einem Attentat zum Opfer fiel. Rick Turner, ein Dozent an der Universität Natal in der Hafenstadt Durban, wurde 1978 umgebracht. Doch die Liste von schwarzen Opfern ist lang: der oppositionelle Rechtsanwalt Griffiths Mxenge (1981); seine Frau Victoria (1985); Matthew Goniwe und drei andere Führer der Vereinigten Demokratischen Front (UDF - 1985); der Arzt Fabian Ribeiro und seine Frau (1986); der Gewerkschafter Eric Mtonga (1987) und der Schüler Sicelo Dhlomo (1988) darüber hinaus Dutzende namenloser Aktivisten und zahlreiche Mitglieder des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) außerhalb Südafrikas.

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