: Ein König für die Robben
...und ein Volk, das ihm applaudiert / Carl XVI. Gustav macht's möglich ■ Aus Stockholm Gisela Pettersson
Süß sieht er aus in den kurzen Hosen und dem kecken Halstuch. Da vergibt man ihm glatt, daß er den Eintopf aus der Gulaschkanone partout nicht essen will. Aber ein Privileg darf der Schutzpatron der Pfadfinder schließlich beanspruchen. Und außerdem: Was wiegen ein paar lumpige Erbsen gegen das, was er vollbracht hat? Dort, wo weder fremde U-Boote noch grüne Politiker im Reichstag etwas bewirken konnten, schwappten auf einmal die Wogen der Emotion hoch. Und schuld daran war er, Carl XVI. Gustav von Schweden.
Obwohl die im Parlament 1975 die Verfassung geändert und königliche Macht einfach über den Haufen gestimmt hatten, legte der sich politisch ins Zeug - und mit Norwegens Regierungschefin Gro Harlem Brundtland an. Zankapfel: die Robben.
„Das Robbenschlachten in Norwegen muß endlich aufhören“, forderte der umweltbewegte Monarch. Als Gro zurückfauchte, das ginge ihn erstens nichts an und zweitens könne sie nicht einfach einen Stopp der Brutalitäten verfügen, da legte der König noch eins drauf. „Wie will eine Frau, die den Robben nicht helfen kann, ein Land regieren?“ fragte er. Die Norweger rasten - vor Wut. Die Schweden vor Begeisterung. Noch während der Außenminister diplomatisch versuchte, Wogen zu glätten, breitete sich royalistisches Magenkribbeln unterm Volk aus. Der scheue König hatte seine scheuen Untertanen aus ihrer Reserve geholt. Beide waren plötzlich ein Herz und eine Krone. „Der König hat recht, das hat er gut gemacht“, schallte es aus den Meinungsumfragen.
Daß die des Robbenschlachtens geziehenen Norweger mit Fingern auf Carl Gustav zeigten und in ihm den Verursacher dafür ausmachten, daß so manches Elchkind elternlos durch schwedische Wälder irrt, ließ die stürmische Liebe der SchwedInnen für die Königsworte nicht abkühlen. Daß er ein unsensibler Elchjäger sein soll und mit seinem High-Speed -Boot die Seefische verschreckt und das Wasser verdreckt, wurde aufs Konto „norwegische Propaganda“ gebucht.
„Jag tycker mycket om kungen“ (Ich mag den König unheimlich, d. Red.), sagt Eina. Neunzehn Jahre jung und Gardinenverkäuferin. Für den Jüngsten aller Monarchen aus der Bernadotte-Dynastie läßt sie Björn Borg und Ingemar Stenmark stehen. Und wie Eina geht es selbst abgebrühten Polithasen. Wenn der König lädt, marschieren die geradewegs zum Kostümverleih, um sich Frack und Abendkleid zu holen. Ob Kommunist, Grüner oder Sozialist, beim „kungsmiddag“ dabeizusein, ist halt immer noch was zum lustvollen Zungenschnalzen. Sozialistische Monarchie pur. Ein vaterlandsloser Gesell, wer da ans Parteiprogramm denkt, ans sozialdemokratische beispielsweise. Wo doch tatsächlich die Abschaffung der Demokratie gefordert wird.
Und außerdem gibt es ja auch noch Silvia. Seit die da ist, macht's wieder richtig Spaß mit dem Königshaus. „Das beste was ihm und uns passieren konnte“, meint Eina. Seit Silvia da ist, fällt gar nicht mehr auf, daß ihr Ehegespons schon mal den Faden verliert und dann mehr an Heinrich Lübke denn an einen jungen dynamischen König erinnert. Mit deutscher Gründlichkeit hat sie die Fäden straff in ihren Händen, macht mal in New York, mal in Neuseeland gute Figur fürs Königreich. Und seit Silvia da ist, gibt's auch Victoria, Carl Philip und Madeleine. Victoria wird irgendwann mal den Laden ihres Vaters übernehmen. Eine Gesetzesänderung macht's möglich, der Automatismus männlicher Thronfolger funktioniert nicht mehr länger. Carl XVI. Gustav findet dies überhaupt nicht in Ordnung. Aber in dem Punkt ist er ausnahmsweise nicht ein Herz und eine Krone mit seinen Untertanen...
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