piwik no script img

Typisch Arafat

■ Der PLO-Chef erlärte die Charta seiner Organisation für „hinfällig“

Yassir Arafat hat einen seiner in der palästinensischen Bewegung gefürchteten Coups gelandet, als er in Paris vorpreschte und die bis dato sakrosankte Charta der PLO aus dem Jahre 1964 für „hinfällig“ erklärt hat. Mit dem Widerstand der loyalen Opposition in den Reihen des Dachverbandes PLO und der außerhalb agierenden Splittergruppen mußte er rechnen. Arafat wußte genau, warum er das Schlachten dieser heiligsten palästinensischen Kuh nicht auf der Tagung des Exilparlaments im vegangenem November in Algier vornahm. Zuerst mußte das neue politische Programm abgesegnet werden, auf dessen Grundlage der Staat Palästina ausgerufen und Arafat selbst zum Präsidenten gewählt worden ist. Seither ist die Charta in der Tat „hinfällig“, weil historisch überholt. Arafat hat in Paris nichts anderes getan, als die innerpalästinensische Debatte darüber zu eröffnen. - Die zentrale Bedeutung dieser Frage zeigt sich schon daran, daß führende israelische Politiker stets unter Hinweis auf die Charta, in der der bewaffnete Kampf zur Befreiung ganz Palästinas festgeschrieben ist, neue Weichenstellungen der PLO beiseite wischten.

Wenn Arafat mit dem Wort „hinfällig“ Formulierungen von Mitterrand und Dumas aufgreift, so sichert ihm das nicht nur medienwirksamen Beifall, sondern macht ihn auch zum Gefangenen seiner eigenen Proklamationen. Jetzt stehen Prestige und Glaubwürdigkeit des PLO-Chefs auf dem Spiel: Er muß die Rücknahme der Charta im palästinensischen Exilparlament durchsetzen. Die Initiativen Arafats, so spektakulär sie auch sein mögen, werden letzlich an ihrem Erfolg beurteilt werden. Die aufständischen Palästinenser in den israelisch besetzten Gebieten haben bislang keine greifbaren Ergebnisse der Nahost-Diplomatie gesehen. Es liegt daher im Interesse Arafats, des Westens und schließlich auch Israels, eine politische Lösung zu finden, ehe das Gesetz des Handelns in andere, radikalere Hände übergeht.

Beate Seel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen