Achtbarkeitszeugnis für die Waffen-SS

■ Zur historischen Rechtfertigung von Regierungssprecher Johnny Klein

GASTKOMMENTAR

Ja“, war die Antwort von Regierungssprecher Johnny Klein auf die von 'Le Monde‘ gestellte Frage, ob er das pauschale Achtbarkeitszeugnis für die Waffen-SS, als das man sein 'Quick'-Interview verstehen muß, für historisch gerechtfertigt und moralisch unbedenklich halte. Diese Antwort hat mir mehr weh getan als die Rede von Philipp Jenninger - ihm konnte man noch die guten, wenn auch durch rhetorische Unfähigkeit verfälschten Absichten zugutehalten. In der Sekunde, als dieses kategorische „Ja!“ ausgesprochen wurde, kamen mir die Frauen und Kinder wieder in den Sinn, die in der Kirche von Oradour auf Befehl der Waffen-SS -Division „Das Reich“ bei lebendigem Leibe verbrannt worden waren. Klein meint ferner, man habe der jüngeren Generation nicht vermittelt, daß die Waffen-SS im wesentlichen aus jungen Leuten bestand, die glaubten ihr Vaterland zu verteidigen.

Sollte Klein den jungen Leuten von heute, die diese furchtbare Zeit nicht miterlebt haben, tatsächlich eine solche Botschaft ans Herz legen wollen, dann begeht er ein historisches Verbrechen. Gewiß, es gibt Unterschiede zwischen den Soldaten, die im letzten Moment in die Waffen -SS eingezogen wurden, um die alliierte Offensive abzuwehren, und Hitlers Elitetruppen, die als „Einsatzgruppen“ an der Ostfront die dreckigen Vernichtungsarbeiten übernahmen. Aber so legitim die Kritik an hastigen Verallgemeinerungen ist, die aus jedem Mitglied der Waffen-SS einen Kriegsverbrecher an sich machen, so unerträglich ist es, einen Regierungssprecher heute behaupten zu hören, die SSler seien alle Engel gewesen, oder doch fast.

Klein ist bekanntlich Bürgermeisterkandidat in München. Er wird möglicherweise auf die Unterstützung Franz Schönhubers angewiesen sein, um dahin zu gelangen. Reicht das als Grund, um das Gedächtnis der Opfer, denen er nicht das kleinste Wort des Mitleids zugesteht, mit Füßen zu treten? Dann wären die Vierzigjahrfeier der Bundesrepublik und die schönen Reden zu diesem Anlaß eine düstere Farce. Luc Rosenzweig,

Deutschland-Korrespondent von 'Le Monde'