piwik no script img

„Schlaft nicht mehr mit Männern“

■ Frauendemonstration forderte am Samstag Konsequenzen aus dem Memminger Urteil

Zwei Tage lang dauerte das Kulturfest für Europa auf dem Marktplatz. Und an beiden Tagen wurde das Podium von DemonstrantInnen erobert: Nach den TürkInnen, die am Freitag für ihre Resolution gegen den blutigen 1. Mai in Istanbul warben, nutzten am verkaufsoffenen Maisamstag Frauen und manche Männer das installierte Forum.

„Willkommen im Mittelalter“ grüßten sie von einem Transparent. Auf den Kartons vor der Brust trugen sie demonstrative Aufrufe durch die Innenstadt: Mit „Wir empfehlen Stricknadeln“ erinnerten sie an die Zeiten der EngelmacherInnen. Und „Schlaft nicht mehr mit Männern“, so die pointierteste Konsequenz aus dem Urteil von 30 Monaten Gefängnisstrafe und drei Jahren Berufsverbot im Memminger Abtreibungsprozeß.

Einige Male umrundeten die Frauen den Marktplatz und die Freßbuden zur Europawahl, bis sie das Podium erklommen und erklärten: „Das Urteil hat Signalwirkung. Ärztinnen, die bereit sind, Frauen in ihrer Notlage zu helfen, wird mit dem Verlust ihrer beruflichen Existenz und Gefängnisstrafe gedroht.“ Die BremerInnen forderten Freispruch für Dr. Theissen, die Rücknahme aller bisherigen Verurteilungen wegen §218 und §219, sowie die Einstellung aller Verfahren und die ersatzlose Streichung des § 218.

„Mit jeder Abtreibung stirbt ein Mensch“ - ostentativ hielt dagegen ein Paar am Rande des Geschehens sein Transparent in den Wind. Eine Frau verteilte dazu farbige Hochglanzbroschüren zum „Schutz des Lebens“. Heftige Wortattacken mußte die kleine Gruppe von GegendemonstrantInnen über sich ergehen lassen: Zu antworten wußte sie relativ wenig. Auffallend viele Männer mischten sich am Samstag in die Diskussionen auf dem Marktplatz ein, verteidigten die selbstbestimmte Abtreibung und schimpften über das Memminger Urteil, das die Luftballons und Faltblätter zur Europapolitik für einige Stunden vom Markt verdrängte.

ra

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen