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Das war zuviel für Hoss

■ Blau-Weiß Trainer Hoss brach nach neunzig spannenden Minuten in Wattenscheid zusammen und konnte sich nicht mit seiner Mannschaft freuen

Blau-Weiß gewann durch sieben schwarze Wattenscheider Minuten mit zwei Elfmetern wieder Anschluß an das Aufsteiger -Roulette der Liga. Der denk- und merkwürdige Ausflug nahm allerdings erst drei Stunden nach dem Abpfiff ein glückliches Ende. Als der Berliner Flieger längst in der Luft war, konnte Trainer Bernd Hoss endlich frei durchatmend zur Freude finden.

Nach neunzig Minuten liefen sie auf ihren Coach zu, ausgelassen und Erstliga-trunken. Wenig später brach Bernd Hoss in der Kabine zusammen. Die nüchtern-ernste Erstdiagnose des Wattenscheider Arztes („240 Blutdruck und Verdacht auf Infarkt“) konnte um 20Uhr auf der Intensivstation zurückgenommen werden: „Nur eine Kreislaufschwäche, Herr Hoss kann das Krankenhaus verlassen.“

Der Risikofaktor Trainerbank hatte den 59jährigen schwergewichtigen Nikotinfreund mit einer fußballhistorisch seltenen Dramaturgie einer Schlußphase nervlich geschafft. Da geschah zunächst der glücklich Ausgleich, als Wattenscheids Torhüter Eilenberger („Eile“) nach schnellem Zwischenspurt völlig unnötig den eben erst eingewechselten Thomas Adler an der Strafraumkante von den Beinen holte. Der scharfe Paß von Peter Stark wäre sicher im Toraus gelandet, Robert Holzer (78.) durfte ihn aber zu recht auf den Elfmeterpunkt legen.

Sieben Minuten später dann das Drama des Wattenscheider Liberos: Jochen Terhaar nahm in unbedrängter Situation das Leder in beide Hände, im eigenen Sechszehner. Jeder der 2.500 Besucher hatte den Pfiff gehört - leider pfiff ein Zuschauer. Schiedsrichter Schmidhuber erlaubte Holzer sofort den Strafstoß.

Wie beschenkte Kinder auf Klassenfahrt feierte Blau-Weiß einen Sieg, der ein Einbahnstraßenspiel der zweiten Halbzeit auf den Kopf stellte. Anstelle von Berd Hoss analysierte Vorständler Hans Marlinger souverän und aufrichtig wie Hans im Glück: „Wir hatten Glück, nicht mit drei Toren hinten zu liegen, und kamen durch zwei glückliche Elfmeter zu einem glücklichen Erfolg.“ Der komplette Mannschaftsbus war sich von Reinholf Mager hinten bis Thorsten Schlumberger vorne einig, daß man als Profi Gastgeschenke einfach annehmen sollte: „Was hätte der Schiedsrichter denn machen sollen?“

Etwas anders stellte sich die gleiche Frage für Stefan Dinever und Jörg Gaedtke für den Ligaendspurt. Während der Libero wegen seiner noch immer nicht auskurierten Knochenabsplitterung ausscheiden mußte, flog Dinauer mit dem Verdacht auf einen Abriß des Außenbandes zurück. Sagte doch Bernd Hoss vor dem Anpfiff: „Wir haben in dieser Saison die Seuche.“

Ernst Thoman

Wattenscheid 09 - Blau-Weiß 90 1:2

Wattenscheid: Ellenberger - Terhaar - Kollenberg (46. Sobich), Siewert - Jankovic, Buckmaier, Kügler, Frömberg (46. Emmerling), Dirk Kontny - Tschiskale, Banach

Blau-Weiß: Mager - Gaedke (75. Adler) - Gartmann, Timm Holzer, Schmidt, Clarke, Stark, Schlegel - Schlumberger, Dinauer (62. Nitsche); Schiedsrichter: Schmidhuber

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