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Rote und schwarze Diktatur

■ Polnische Frauen demonstrieren gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes

GASTKOMMENTAR

Auch das kommunistische Polen war und ist von der katholischen Kirche und der katholischen Weltanschauung geprägt. Vor allem in der Privatsphäre der Menschen wirkte sich dies aus. Traditionelle Werte und konservative Familienvorstellungen traten nur zeitweilig in einen Gegensatz zur offiziellen Politik. Unter anderem in der Frage, ob und wann, wie und unter welchen Bedingungen die ungewollten Schwangerschaften abgebrochen werden dürfen. Heute demonstrieren viele Frauen und Männer, weil sie um den Bestand des Rechtes auf Abtreibung fürchten.

Daß sich die Diskussion zwischen Anhängern des bestehenden Abtreibungsgesetzes und der kirchlichen Opposition gegen die bestehende liberale Regelung in den letzten Monaten zugespitzt hat, ist auch ein Resultat der Gespräche am runden Tisch. Unter vielen Forderungen des demokratischen Widerstands gibt es auch Undiskutables, Vorschläge, die man

-buchstäblich - nur als reaktionär bezeichnen muß. Der im März 1989 von katholischen Abgeordneten erarbeitete Entwurf eines neuen Abtreibungsgesetzes z.B. erfüllt die bekannten Vorstellungen des Papstes voll und ganz. Danach sollen Frauen, die ungewollte Schwangerschaften unterbrechen möchten, zu drei Jahren Gefängnis verurteilt werden. Ebenso soll der Arzt, der den Eingriff vornimmt, hart bestraft werden. Und Männer, die Frauen zum Schwangerschaftsabbruch drängen, sollen gemäß dem Gesetzentwurf künftig bis zu fünf Jahren sitzen.

Es ist in der Tat nicht ausgeschlossen, daß die Kirche Erfolg haben wird. Das hat mit der Demonstration vom Samstag zu einem ersten öffentlichen Protest geführt. „Die Bewegung gegen die Kriminalisierung der Abtreibung“, die am 28. 4. 89 an der Warschauer Universität unter den StudentInnen der Soziologie gegründet wurde, will mehr Aufklärung und vor allem entsprechende Zulieferung von Verhütungsmitteln, ein im heutigen Polen rares Gut. Wie anderswo werden die Frauen auch in Polen durch ein solches Gesetz nur in den Untergrund, in die Hände von EngelmacherInnen gedrängt, mit all den Risiken, die damit verbunden sind. Unter dem Motto, weg mit der roten und schwarzen Diktatur, haben polnische Feministinnen, Studentinnen, aber auch Männer aus der sozialistischen Partei, der Gruppe „Freiheit und Frieden“ ein Zeichen gesetzt. Wenn es am 10.Mai wieder zu einer Kundgebung kommt, kann frau nur hoffen, daß noch mehr Menschen demonstrieren werden. Die schwarzen Gesetze können so vielleicht noch verhindert werden.

Ewa Maria Slaska

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