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Die Geburtstagslüge

■ Hamburgs Hafen ist 1.155 und nicht 800 Jahre alt

Im Jahre 831 war Hamburg ein kleines Handelsnest am Fuße einer beachtlichen Burganlage, der Hammaburg. Die paar Kaufmanns- und Handwerkersippen waren dem Reich schon soviel wert, daß sie das Münzrecht erhielten. Drei Jahre später, 834, gab Ludwig der Fromme Hamburg das Stadtrecht und einen Bischofssitz. In diesen Zeitraum fällt der Bau der Anlage des Handelshafens.

Wenn schon eine Geburtsjahresfeier, dann hätte sich 834 als „Geburtsjahr“ angeboten. Das offizielle Hamburg wählte jedoch 1189. Als Geburtsurkunde dient eine im Jahr 1265 für satte 10.400 Mark Silber und 1.350 Pfennige, das sind umgerechnet mehr als drei Millionen Mark, angefertigte Fälschung: ein auf den 7.Mai 1189 zurückdatierter Freibrief von Kaiser Friedrich Barbarossa (1265 war er schon tot), in welchem dieser garantierte, „den Bürgern, die in Hamburg an der Alster wohnen, mit ihren Schiffen und Waren und Leuten vom Meer bis an besagte Stadt frei von allem Zoll und aller Ungeldforderung hin und zurück zu verkehren“.

Er hatte am 7.Mai 1189 beim Aufbruch zum 3. Kreuzzug in Neuburg an der Donau zwar eine Hamburger Gesandtschaft empfangen - zu einem förmlichen Freibrief hatte es allerdings nicht gelangt. Erst 76 Jahre später fälschten die Hamburger ihn. Bis dahin hatten sie die Existenz kaiserlicher Privilegien frech behauptet und so die Vorherrschaft an der Unterelbe errungen.

Realer Hintergrund dieses Auftrumpfens war ein Ereignis aus dem Jahr 1188: Damals gründete der Kaufmann Wirad von Botzenburg nebst 49 Spekulationsgenossen direkt neben der bischöflich dominierten Altstadt eine auf Steuerfreiheit und Handelseffizienz optimierte Hamburger Neustadt. Statt 1.155 Jahren Hafen und Hamburg feiert die Stadt jetzt 800 Jahre Kaufmannsspekulation und Urkundenfälschung.

Florian Marten

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