: Bombenschlamperei
■ Vorwürfe von BKA-Beamten gegen eigene Behörde / Flugzeugbomben angeblich übersehen
Berlin (taz/dpa) - Schwere Vorwürfe haben Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) gegen ihre eigene Behörde erhoben. Bei der Fahndung nach Palästinensern, die für den Absturz des US-Jumbos über Lockerbie (Schottland) verantwortlich sein sollen, habe die Behörde monatelang Flugzeugbomben „übersehen“. Die schließlich in Neuss beschlagnahmten Sprengsätze sollen tagelang wie harmlose Musikboxen in den Kriminalstuben herumgestanden haben. Nachdem ein BKA-Beamter bei der Entschärfung einer Bombe umgekommen war, hatten Bundesanwaltschaft und Bundesregierung jeden Zusammenhang zu den Lockerbie-Bomben abgestritten. „Die Vertuschung ist eingeleitet“, konstatiert hingegen ein Protokoll der BKA -Außenstelle Meckenheim, über das der 'Spiegel‘ heute berichtet.
Bereits im Oktober 1988 fand das BKA in der Neusser Wohnung Zünder, Sprengelektronik und einen Radiorecorder, die sich später als Bombe - identisch mit dem im Dezember verwandten Lockerbie-Sprengsatz - herausstellte. Weitere Sprengsätze in Radiogeräten ließen die Oberspezialisten auch bei der zweiten Durchsuchung im Januar stehen. Erst bei ihrem dritten Besuch im April nahmen sie, so der „Spiegel“, „einfach auf Verdacht“, einen Radiotuner und Computermonitor mit, die sich später als scharfe Bomben erwiesen. Mit den „Geräten“ auf dem Rücksitz des Autos juckelten die Fahnder seelenruhig nach Meckenheim. Dort stellten sie die Bomben auf den Schreibtisch, ohne daß jemand auf die Idee kam, die Dinger könnten gefährlich sein. Ein Kriminalist, der sich weigern wollte, die Sprengsätze ungesichert nach Wiesbaden zu transportieren, wurde laut Protokoll der BKA-Mitarbeiter „durch Androhung beamtenrechtlicher Maßnahmen“ zu der riskanten Fahrt gezwungen.
Zügig stellte die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren zu den Vorgängen in Wiesbaden ein. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten ergeben, erklärte das BKA am Wochenende und dementierte den Bericht des Nachrichtenmagazins als „haltlos“. Zu den konkreten Vorwürfen der BKA-Außenstelle Meckenheim schwieg die Pressesprecherin ebenso wie zu einem Protestschreiben des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Der BDK hat nach Angaben des 'Spiegel‘ den Transport der Sprengsätze scharf kritisiert. Beides sei „auch nicht als fahrlässiger Leichtsinn zu entschuldigen“.
peb
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