piwik no script img

THTR: SPD-Wackelpudding Düsseldorfer Art

Die Nordrhein-Westfälische Landesregierung ist wieder umgefallen: Hochtemperatur-Reaktor in Hamm-Uentrop soll jetzt doch wieder ans Netz gehen / Nach Gespräch mit Riesenhuber und den Betreibern hat man sich auf eine neue „Kompromißlinie“ verständigt  ■  Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Unter dem Eindruck der Konkursdrohungen der Betreibergesellschaft des Thorium-Hochtemperaturreaktors (THTR) 300 in Hamm-Uentrop ist die nordrhein-westfälische SPD-Landesregierung offenbar umgefallen und von ihrer großmäuligen Forderung nach „sofortiger Stillegung“ des umstrittenen Atommeilers abgerückt. Stattdessen wurde jetzt die Zustimmung zu einer mehrjährigen Auslaufphase für den Pannenreaktor signalisiert.

Wie die taz nach einem Gespräch zwischen Bundesforschungsminister Riesenhuber (CDU), den NRW -Ministern Jochimsen (Wirtschaft) und Schleußer (Finanzen) sowie der THTR-Betreibergesellschaft am Freitag zuverlässig erfahren hat, haben sich im Streit um den Stillegungstermin für den Hammer Hochtemperaturreaktor alle drei Seiten auf eine „Kompromißlinie“ verständigt. Demnach soll der seit Monaten wegen technischer Defekte stillgelegte THTR in den kommenden Wochen für eine sogenannte Auslaufphase wieder angefahren werden (insgesamt wollen die Betreiber mit den noch vorhandenen Brennelementen vier Milliarden Kilowatt Strom produzieren). Die Energiewirtschaft will sich dafür entgegen ihrer ursprünglichen Absicht - an den auf mindestens 500 Millionen Mark geschätzten Kosten für die Einmottung und den Abbruch des Atommeilers beteiligen.

Bundesforschungsminister Riesenhuber begrüßte nach diesem Gespräch, daß sich Bund, Land und Betreiber unmittelbar vor der morgigen Gesellschafterversammlung der „Hochtemperatur Kernkraft GmbH“ (HKG) auf eine „gemeinsame Grundlinie festgelegt“ hätten.

Die Düsseldorfer SPD-Landesregierung hatte erst vor 14 Tagen beschlossen, gerade auch aufgrund anhaltender „ökonomischer Risiken“ bei dem von ihr mit erheblichen Landesmitteln mitfinanzierten Viereinhalb-Milliarden-Reaktor die „sofortige Stillegung“ durchzusetzen. Nach dem Gespräch am Freitag im Bundesforschungsministerium war davon auf seiten der beiden NRW-Vertreter keine Rede mehr. Wirtschaftsminister Jochimsen sagte, zwar habe seine Landesregierung einer umgehenden Schließung des THTR „den Vorrang eingeräumt“, aber dies müsse abgewogen werden „in der Gesamtbetrachtung, wie diese Anlage nun sicher, möglichst bald endgültig, stillgelegt wird“, - was offenbar nichts anderes als die verklausulierte Zustimmung zu einer mehrjährigen Auslaufphase bedeutet.

Dabei hat sich die Regierung Rau offensichtlich durch die Drohungen der THTR-Betreiber beeindrucken lassen, sie würden bei einer Stillegung des Reaktors Konkurs anmelden. In diesem Falle wäre nicht ausgeschlossen, daß alleine der Staat auf den Kosten für den Abbruch des THTR sitzen bliebe.

Die nordrhein-westfälischen Grünen mutmaßen, daß die Energiewirtschaft die Auslaufphase für den THTR benötige, um so den geplanten Export der Hochtemperatur-Reaktor-Linie in die UdSSR zu realisieren. Nach Darstellung der Grünen sieht der vorläufige Kooperationsvertrag zwischen der Sowjetunion und verschiedenen atomaren Anlagenbauern in der Bundesrpublik vor, daß hier innerhalb der nächsten vier Jahre neuartige, speziell beschichtete Brennelemente getestet werden, die Graphitbrände ausschließen sollen. Nach den Tschernobyl-Erfahrungen hat die Sowjetunion auf die Entwicklung dieser neuen Brennelemente beim HTR gedrungen.

Unabhängig von den Verhandlungen über Auslaufphasen und Stillegungsdaten für den THTR läuft beim Düsseldorfer Wirtschaftsminister derzeit noch immer das Prüfungsverfahren, ob der Ende vergangenen Jahres wegen abgerissener Bolzen an den Heißgaskanälen stillgelegte „Pannenreaktor“ ohne gravierende Nachrüstungen wieder angefahren werden kann. Bereits vor Wochen hatte der Wirtschaftsminister im Landeskabinett erklärt, daß er bei den Sicherheitsüberprüfungen „den K.O.-Punkt für den THTR nicht gefunden“ habe und die Anlage „nach Lage der Dinge“ ohne Reparatur wieder ans Netz könne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen