: Raketenstreit: Die USA bleiben hart
■ Bundeskanzler Kohl und US-Präsident Bush telefonierten am Freitag / USA wollen aber die Haltung Bonns bei den Verhandlungen über atomare Kurzstreckenwafen nicht akzeptieren / Bahr: Größte Krise der Nato?
Hamburg/Washington (dpa) - Im Raketenstreit will die amerikanische Regierung ganz offensichtlich hart bleiben: Wie die 'Washington Post‘ am Samstag berichtete, werde die neue amerikanische Administration unter Präsident George Bush die Bonner Haltung auf keinen Fall akzeptieren, selbst wenn dies zu unangenehmen Auseinandersetzungen beim Nato -Gipfel Ende Mai in Brüssel führen sollte.
Auch die jüngsten Äußerungen des Sprechers des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, deuten darauf hin, daß sich die Haltung der Amerikaner am Wochenende eher verfestigt hat: Die USA wollen bekanntlich schon Ende Mai einen Beschluß zur „Modernisierung“ von atomaren Kurzstreckenwaffen fassen und lehnen Verhandlungen über diese Waffen solange ab, bis bei den Wiener Verhandlungen erreicht ist, daß die Sowjetunion im konventionellen Bereich abrüstet.
Zu der Absicht der Bundesregierung, schon jetzt mit Moskau über die Kurzstreckenwaffen zu reden und eine Entscheidung über die „Modernisierung“ der gegenwärtig stationierten Waffen dieses Typs bis 1992 hinauszuschieben, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses am Freitag abend, es sehe nicht danach aus, daß in dieser Frage vor dem Nato-Gipfel am 29. und 30. Mai in Brüssel „die Grundlagen für eine Einigung vorhanden sind“.
Fitzwater äußerte sich nach einem viertelstündigen Telefongespräch, das Bundeskanzler Helmut Kohl mit US -Präsident George Bush führte. Aus Bonn wurde auch am Samstag nichts über den Inhalt dieser Unterredung be kannt.
Ähnlich äußerte sich am Samstag auch der neue Bonner US -Botschafter Vernon Walters. Die USA seien nicht gegen Verhandlungen über andere atomare Kurzstreckenraketen, entscheidend sei jedoch der zeitliche Ablauf. In der 'Süddeutschen Zeitung‘ erklärte Walters, wenn es in Wien gelänge, einen Vertrag über ein niedrigeres konventionelleres Gleichgewicht abzuschließen, könnte die Nato ihre Kurzstreckensysteme verringern.
Die USA seien aber nicht gegen diese Verhandlungen, weil sie einen Atomkrieg auf Europa begrenzen wollten, ergänzte Walters. Nach Auffassung von SPD-Präsidiumsmitglied Egon Bahr wird die Nato in die tiefste Krise seit ihrem Bestehen geraten, wenn die Amerikaner darauf beharren sollten, die Atomwaffen in Europa aus den Abrüstungsverhandlungen mit dem Osten auszuklammern.
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