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Mordhetze Irans empört die Welt

■ Auch Arafat geht auf Distanz zu Teheran / Westliche Regierungen über Rafsandschanis Äußerungen schockiert

Bonn (afp/ap/taz) - Mit Empörung reagierten am Wochenende westliche Regierungen auf den neuen Terroraufruf aus Teheran. Nach den Morddrohungen gegen den Verfasser der Satanischen Verse, Salman Rushdie, nutzte Irans Parlamentspräsident Ali Akbar Rafsandschani diesmal das Freitagsgebet, die Palästinenser in den besetzten Gebieten aufzufordern, weltweit Amerikaner, Briten oder Franzosen in möglichst großer Zahl zu töten, Flugzeuge zu entführen und westliche Industrieanlagen zu zerstören.

„Wenn sie (die Palästinenser) als Vergeltung für jeden palästinensischen Märtyrer (...) außerhalb Palästinas fünf Amerikaner oder Briten oder Franzosen hinrichten oder töten, würden die Zionisten dieses Unrecht nicht fortsetzten“, sagte Rafsandschani nach Angaben von 'Irna‘. „Es ist nicht schwer, Amerikaner oder Franzosen zu töten“, fuhr er fort, „etwas schwieriger ist es, Israelis zu töten, aber es gibt so viele auf der Welt. (...) Diejenigen, die Israel mit zehn Milliarden Dollar im Jahr unterstützen, (...) ist deren Blut irgend etwas wert?“

Die überraschende Radikalität des Parlamentspräsidenten bestätigt einmal mehr, daß sich der Machtkampf zwischen gemäßigten und Hardlinern in Iran zugunsten der Orthodoxen entschieden hat. Irans Staatspräsident Ali Chamenei begrüßte denn auch am Sonntag die Kandidatur Rafsandschanis bei den für August angesetzten Präsidentschaftswahlen: „Der Kandidat weckt in uns die Hoffnung, daß unserer Nation eine noch glänzendere Zukunft blühen wird.“

Rafsandschani, der als Pragmatiker gilt und sich um bessere Beziehungen mit dem Westen bemüht hatte, übte auch scharfe Kritik an der Palästinenserführung, ohne PLO-Chef Arafat namentlich zu erwähnen. Sie habe den bewaffneten Kampf aufgegeben und die PLO-Charta als veraltet erklärt.

Yassir Arafat, distanzierte sich in Tunis von dem iranischen Mordaufruf. Während seines zweitägigen offiziellen Besuchs in Paris hatte er die PLO-Gründungscharta Fortsetzung auf Seite 2

in der die Vernichtung Israels gefordert wird, als hinfällig erklärt.

„Der skandalöse Aufruf zu Mord und Terrorismus markiert einen neuen Schritt Irans weg von der Gemeinschaft der zivilisierten Nationen“ entrüstete sich der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwa

ter. Großbritannien, Frankreich und die Niederlande haben den jüngsten Attentatsaufruf ebenfalls scharf verurteilt. Das Außenministerium in Paris bekundete Empörung über die Äußerungen Rafsandschanis. Sie enthielten einen nicht hinnehmbaren Aufruf zum Mord und eine Herausforderung für die Bemühungen zu einer Verhandlungslösung für den Frieden im Nahen Osten. London und Den Hag nannten den Aufruf unannehmbar und einen Anschlag auf internationales Recht.

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